Neues zum EEG (Teil 1): Neue Blog-Reihe von PwC Legal zu rechtlichen Entwicklungen des EEG

Diese neue Blog-Reihe soll regelmäßig Einblicke in die Praxiserfahrungen und rechtlichen Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien („EEG“) geben.

Für den ersten Beitrag wollen wir den Blick auf den Netzanschluss von EE-Anlagen im Kontext einen unsichereren Investitionsumfelds richten.

Immer mehr Anlagenbetreiber wollen an die Stromnetze angeschlossen werden, die aber gleichlaufend massiv ausgebaut werden müssen, um die Netzverträglichkeit und -stabilität insgesamt zu wahren. Aufgrund zahlreicher Faktoren wie gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, Fachkräftemangel, öffentlichen Widerständen und technischen Herausforderungen besteht derzeit jedoch ein massiver Investitionsstau bei den Stromnetzen.

In der Praxis ist dabei derzeit eine Zuspitzung der Problematik festzustellen, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass Anschlusspetenten einen Anspruch auf vorrangigen Netzanschluss nach § 8 Abs. 1 S.1 EEG 2023 haben. Mit dem Solarpaket I der Bundesregierung sind die Voraussetzungen für kleinere PV-Anlagenbetreiber zudem nochmalig vereinfacht worden, was den beschriebenen Trend verstärken wird.

I. Gesetzliche Grundlage des Netzanschlusses von EE-Anlagen

Gemäß den Vorgaben des § 8 Abs. 1 S. 1 EEG müssen Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien unverzüglich vorrangig an der Stelle an das Netz angeschlossen werden, das im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist und bezogen auf die Luftlinie die kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn dieses oder ein anderes Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist.

II. Zielkonflikt: Immer mehr Anschlussbegehren bei Stagnation der Netzkapazitäten

Der Netzbetreiber hat im Rahmen des Anschlussbegehrens eine Netzverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Allgemein wird darunter eine netztechnische Prüfung verstanden, bei der anhand von Netzdaten – unter Beachtung bereits angeschlossener Anlagen sowie weiterer noch anzuschließender Anlagen, für die bereits Netzanschlussbegehren gestellt wurden – rechnerisch ermittelt wird, ob beispielsweise Kapazitätsengpässe vorliegen und welcher Verknüpfungspunkt sich für den Anschluss einer Anlage sowie die Aufnahme des erzeugten Stroms in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht eignet. Seit einigen Jahren häufen sich die Fälle, in denen jedoch nicht (mehr) ausreichend Netzkapazitäten für den Anschluss von neuen EE-Anlagen an das Netz bestehen. Die Gründe dafür sind vielfältig und werden sich in absehbarer Zukunft nicht ohne Weiteres auflösen lassen.

1. Ungünstiges Investitionsumfeld

Insbesondere die Neugestaltung des Regulierungsrahmens infolge des Urteils des europäischen Gerichtshofs zur Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde sorgt hier derzeit für fehlende Planungssicherheit bei den Netzbetreibern (EuGH, Urteil vom 2. September 2021, C-718/18). Ob die derzeitig bestehende Regulatorik im Kern bestehen bleibt oder grundlegend erneuert wird, ist trotz des Eckpunktepapiers der Bundesnetzagentur in diesem Kontext offen. Zwar deutet das Eckpunktepapier darauf hin. Gewissheit wird jedoch erst mit dem Erlass des umfangreichen Festlegungs-Katalogs bestehen. Ferner werden die neuen Regelungen der Bundesnetzagentur erfahrungsgemäß Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen sein, was diesen „Schwebezustand“ weiter verlängern wird.

Auch die Absenkung der Eigenkapitalzinssätze und des generellen sektoralen Produktivitätsfaktors (sog. Xgen Strom) haben das Investitionsumfeld für Netzbetreiber beeinträchtigt. Über alle vergangenen Regulierungsperioden ist ein Trend zur Absenkung der investitionsrelevanten Faktoren seitens der Bundesnetzagentur zu erkennen. 

Hinzukommt, dass die Netze aufgrund der wetterbedingt fluktuierenden Einspeisung von EE-Anlagen anders konzipiert werden müssen als bei stabilerer Einspeisung durch größere Kohle- und Gaskraftwerke.

2. Anreize bei der Einspeisung

Gleichzeitig führt der beschleunigte Anschluss von Erzeugungsanlagen, insbesondere von PV-Anlagen in der Praxis zu immer mehr Anschlussbegehren. Die im sog. Solarpaket I vorgesehenen Vereinfachungen für Balkonkraftwerke und PV-Anlagen bis 100 kWp werden dazu beitragen, dass sich dieser Trend nicht umkehren, sondern verstärken wird (die Einzelheiten des Solarpakets I werden Gegenstand der nächsten Blog-Beiträge sein).

Daneben profitieren größere Anlagenbetreiber von erhöhten Vergütungssätzen und weiteren Erleichterungen. Insgesamt reizt das Solarpaket I Investitionen in die Solarenergie an und verstärkt dadurch die „Nachfrage“ nach Netzanschlüssen.

III. Potenzielle Rechtsfolgen

In der Praxis ist mitunter zu beobachten, dass einige Netzbetreiber Anschlussbegehren bereits jetzt zu spät oder gar nicht bearbeiten. Oftmals wird dabei auf mangelnde Netzkapazitäten hingewiesen. Einige dieser Fälle haben selbst bundesweites mediales Interesse erhalten. Durch die beschriebene Anreizung bei Anschluss und Einspeisung werden sich diese Fälle flächendeckend häufen. Es ist zudem zu beobachten, dass diese Konflikte immer häufiger auch zur Inanspruchnahme von (gerichtlichem) Rechtsschutz führen.

Die mangelnde Netzkapazität ist allerdings kein rechtlich zulässiger Ablehnungsgrund für ein Netzanschlussbegehren. Vielmehr sind die Netzbetreiber grundsätzlich nach § 12 EEG 2023 gehalten die Netzkapazität zu erweitern. Eine Ablehnung wegen mangelnder Netzkapazität führt weder zu einer technischen noch wirtschaftlichen Unmöglichkeit (siehe § 8 Abs. 4 EEG 2023). Eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit kommt erst in Betracht, wenn das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr sinnvoll eingehalten werden kann. In der Vergangenheit wurde hier eine 25 %-Grenze diskutiert. Unzumutbarkeit besteht hiernach, wenn Kosten der Kapazitätserweiterung 25 % der Kosten der Investitions- und Betriebskosten der Anlage oder 12,5 % des Werts des erzeugten Stroms übersteigen. Die Frage der wirtschaftlichen Unzumutbarkeit ist jedoch immer eine Einzelfallfrage und kann nicht schematisch beantwortet werden. In Zukunft dürfte diese Diskussion aufgrund des ungünstigsten Investitionsumfeld zunehmend an Bedeutung gewinnen. In der Rechtsfolge kann jeder Anlagenbetreiber nach Ablauf der Bearbeitungsfristen und Einhaltung der weiteren (technischen) Voraussetzungen auf Anschluss gegen den Netzbetreiber klagen. Hier sind auch mögliche Schadensersatzansprüche denkbar.

IV. Ausblick

Die Erleichterungen für PV-Anlagen werden eine Vielzahl von neuen Anschlussbegehren auslösen, die der Netzbetreiber fristgerecht bearbeiten muss, um sich nicht nachteiligen Rechtsfolgen ausgesetzt zu sehen. Gleichzeitig verläuft der Netzausbau jedoch schleppend, was nicht zuletzt auch an ungünstigen regulatorischen Rahmenbedingungen liegt. Dieser Zielkonflikt wird die Stromnetzbetreiber in den nächsten Jahren begleiten.

Hier sind Konzepte und Prozesse notwendig, wie die Anschlussbegehren zeitgerecht bearbeitet werden können, ohne Gefahr zu laufen die Netzstabilität insgesamt zu gefährden. Die gesetzlichen Pflichten sollten nicht vernachlässigt werden, weil viele Anschlusspetenten immer häufiger, nicht mehr davor zurückschrecken Rechtschutz in Anspruch zu nehmen. Eine richtige Priorisierung von Netzanschlussbegehren, gute Kommunikation und eine vorausschauende Netzplanung sind dabei wichtige Lösungsansätze. Diese Blog-Reihe wird im regelmäßigen Abstand fortgesetzt.

Ansprechpartnerin:
Melanie Meyer

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