IRRD: Präventive Sanierungsplanung und Abwicklungsplanung - Neue Richtlinie steht kurz vor der Finalisierung

Der nun veröffentlichte Kompromiss streicht und ändert wesentliche Punkte der zuvor im Trilog debattierten Stellungnahmen zur IRRD.

Jüngst einigten sich der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament auf eine vorläufige harmonisierte Regelung über die präventive Sanierung und ordnungsgemäße Abwicklung von Versicherungsgesellschaften – die Insurance Recovery and Resolution Directive (IRRD). Der nun veröffentlichte Kompromiss streicht und ändert wesentliche Punkte der zuvor im Trilog debattierten Stellungnahmen zur IRRD, über die und deren Kontext wir bereits ausführlich Bericht erstatteten. Da die Billigung und Annahme der finalen Formulierungen noch in der laufenden Legislaturperiode des Europäischen Parlaments als wahrscheinlich gelten, ist jetzt ein günstiger Zeitpunkt, um sich mit den Neuerungen der vorläufigen Einigung, die für viele unter Solvency II fallende Versicherer relevant sind, zu befassen.

Wen die Regelung betrifft: Bestimmte Erst- und Rückversicherungsgesellschaften

Nunmehr fungieren lediglich die Größe, das Geschäftsmodell, das Risikoprofil, die Verflechtung, die Ersetzbarkeit, die gesamtökonomischen Bedeutsamkeit und das Ausmaß der grenzüberschreitenden Tätigkeit als Kriterien, die Assekuranzen zur Aufstellung präventiver Sanierungspläne verpflichten. Hierbei hat die Aufsichtsbehörde sicherzustellen, dass mindestens 60 Prozent – und nicht wie bisher erwogen 80 Prozent – des nationalen Versicherungsmarkts den Anforderungen der präventiven Sanierungsplanung unterworfen werden.

Fortan hat die Abwicklungsbehörde1, nach Rücksprache mit der Aufsicht, Abwicklungspläne für Versicherungsgesellschaften bereitzuhalten, sofern sie die Abwicklung der Assekuranz im relativen öffentlichen Interesse begreift. Bei dieser Bewertung sind zumindest die Notwendigkeit der mit der Abwicklung verbundenen Zielerreichung sowie die Größe, das Geschäftsmodell, das Risikoprofil, die Verflechtung, die Ersetzbarkeit und insbesondere die grenzüberschreitenden Aktivitäten des betroffenen Versicherers zu berücksichtigen. Zu den Abwicklungszielen zählen der Schutz der kollektiven Interessen von Begünstigten, Versicherungsnehmern und Gläubiger wie auch die Aufrechterhaltung der Finanzmarktstabilität und kritischer Funktionen sowie die Bewahrung öffentlicher Finanzmittel der Mitgliedsstaaten. Die Abwicklungsbehörde hat zu gewährleisten, dass wenigstens 40 Prozent – und nicht wie zuvor vorgeschlagen 70 Prozent – des nationalen Versicherungsmarkts der Abwicklungsplanung unterliegt.

Die Größe des jeweiligen Markts, den der Aufseher bei der präventiven Sanierungsplanung und der ordnungsgemäßen Abwicklungsplanung in die Pflicht nehmen soll, bemisst sich weiterhin an den gebuchten Bruttobeiträgen der Nichtlebensversicherer und an den technischen Bruttorückstellungen der Lebensversicherer. Sowohl die Berechnungen der Marktanteile als auch die für die Betroffenheit jeweils relevanten Kriterien sollen technische Regulierungsstandards spezifizieren, die die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen entwirft und die Europäischen Kommission verabschiedet. Ausgenommen von der präventiven Sanierungsplanung und der Abwicklungsplanung bleiben indes kleine und nichtkomplexe Versicherungsgesellschaften, von denen aus Sicht des Aufsehers kein nationales oder regionales Risiko auszugehen scheint.

Was die Regelung vorsieht: Weitreichende Planaufstellungs- und Mitwirkungspflichten

Die IRRD verpflichtet betroffene Versicherungsgesellschaften, präventive Sanierungspläne für die eigene Unternehmung aufzustellen und beim Vollzug der behördlichen Abwicklungspläne mitzuwirken. Die eigenen präventiven Sanierungspläne dienen unter anderem dazu,

  • die einzuleitenden Abhilfemaßnahmen zu spezifizieren,
  • die Aufstellung, Aktualisierung und Anwendung der Abhilfemaßnahmen zu erörtern,
  • ein Rahmenwerk mit quantitativen und qualitativen Indikatoren für Einleitung der Abhilfemaßnahmen festzulegen (z.B. Liquidität, Profitabilität und betriebliche Ereignisse)
  • eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln,
  • Änderungen der präventiven Sanierungspläne zu dokumentieren und
  • ggf. eingeleitete Maßnahmen zur Erfüllung der Solvabilitätsanforderungen zu evaluieren.

Jeder Verstoß der Solvabilitätskapitalanforderung soll geeignete Abhilfemaßnahmen nach sich ziehen, die mit dem präventiven Sanierungsplan übereinstimmen. Der präventive Sanierungsplan muss wiederum an sich glaubhaft und durchführbar sein, das heißt die spezifizierten Abhilfemaßnahmen und Indikatoren müssen systemischen und idiosynkratischen Stressszenarien standhalten, die die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Ausschuss von Systemrisiken entwickelt. Die Substanz des vom Versicherer aufgestellten präventiven Sanierungsplans wird vom jeweils zuständigen nationalen Aufseher spätestens neun Monate nach Einreichung kontrolliert – die Überprüfung und Bewertung darf somit drei Monate mehr Zeit beanspruchen als zuletzt debattiert.

Obwohl Abwicklungspläne von der zuständigen Abwicklungsbehörde zu entwerfen sind, bestehen diesbezüglich nach wie vor weitreichende Mitwirkungspflichten aufseiten der Assekuranzen. So müssen Versicherungsgesellschaft weitmöglichst mit der Abwicklungsbehörde kooperieren und alle notwendigen Informationen an die Abwicklungsbehörde übermitteln. Hierzu zählt die Übermittlung von Daten, mit denen die Abwicklungsbehörde besicherbare Vermögenswerte, kritische Interdependenzen und jegliche Ereignisse, die eine Überarbeitung des Abwicklungsplans bedingen können, identifizieren kann. Auf dieser Grundlage kann die Abwicklungsbehörde einschätzen, ob das jeweils betroffene Versicherungsgeschäft über Abwicklungsinstrumente, die die IRRD bereitstellt (z.B. solventer Run-off), eingestellt werden kann. Wird Versicherungsgeschäft aus einem Drittstaat grenzüberschreitend in der Europäischen Union betrieben, erfolgt dessen ordnungsgemäße Abwicklung über Europäische Abwicklungskollegien erfolgen, die die Kooperation der notwendigen Akteure gewährleisten soll.2

Warum sich Regelung langfristig auswirken kann: Regelmäßige Aktualisierungen   

Fällt ein Versicherer erst einmal unter die Vorgaben der Richtlinie, verlangt die Aufsichtsbehörde zumindest alle zwei Jahre eine Neuaufstellung der Sanierungspläne. Überdies können besondere Umstände die Aktualisierung der Planungen erfordern. Dies ist immer dann der Fall, sobald sich die rechtliche oder organisatorische Struktur oder das Geschäftsmodell der Assekuranz wesentlich ändert oder sich die Finanzlage zulasten der Effektivität des Sanierungsplans verschlechtert oder zu verschlechtern droht. Angesichts der harten Sanktionen, die bei einer verspäteten oder unzureichenden Erfüllung der Aufstellungs- und Mitwirkungspflichten drohen, empfiehlt sich eine frühzeitige und fortlaugende Auseinandersetzung mit den Details der IRRD. Dies gilt insbesondere, da die vorläufige Einigung zwischen dem Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament relevante Komponenten der Regelung durch technische Regulierungsstandards und technische Durchführungsstandards konkretisieren lässt. Angewendet werden könnten die neuen Vorschriften voraussichtlich ab dem Jahr 2026.

1 Seit dem 1. Januar 2018 ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die Nationale Abwicklungsbehörde in Deutschland

2 Der Mechanismus über Europäische Abwicklungskollegien (European resolution colleges) entstammt der für den Bankensektor geltenden Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD).

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Melanie Schlünder

Melanie Schlünder

Senior Managerin
Frankfurt am Main

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