Deutsche Aktuarvereinigung veröffentlicht Papier zur Rechnungszinsanpassung 2025
DAV erläutert handelsrechtliche Fragestellungen zur erstmaligen Erhöhung des Höchstrechnungszinses seit 1994
Seit die Deutsche Aktuarvereinigung Ende November letzten Jahres gegenüber dem zuständigen Bundesministerium der Finanzen (BMF) eine Erhöhung des in §2 DeckRV für Versicherungsverträge mit Zinsgarantie festgelegten Höchstrechnungszinses von 0,25 Prozent auf 1,00 Prozent vorgeschlagen hat (vgl. unseren diesbezüglichen Blogbeitrag). Die Möglichkeit einer Anhebung wurde im Anschluss von verschiedenen Seiten im Laufe des aktuellen Kalenderjahres weiter angeheizt, mit der Fragestellung, ob die regulatorische Vorgabe entsprechend mit Wirkung zum 1. Januar 2025 angepasst werden kann.
Hintergrund der Diskussionen
Wenngleich der Höchstrechnungszins als gesetzliche Vorgabe erst einmal für die Bewertung der Deckungsrückstellungen von Lebensversicherungen, Pensionskassen, Pensionsfonds und Unfallversicherungen (sowohl Unfallversicherung mit Prämienrückgewähr als auch für Haftplicht- und Unfall-Renten) des deregulierten Geschäfts maßgeblich ist, wird dieser typischerweise auch von den jeweiligen Unternehmen in der Prämienkalkulation angesetzt.
In der Diskussion spielt neben Bilanzierungsaspekten insbesondere auch der Vertrieb eine wichtige Rolle, da für viele Versicherungsarten in der Lebensversicherung und Altersvorsorge ein höherer Garantiezins mit einem höheren Leistungsversprechen bzw. einer geringeren tariflichen Prämie einhergeht und die Frage im Raum steht, wie sich dies auf die Entscheidung potenzieller Kunden bezüglich des Neuabschlusses von Verträgen auswirkt. Denn erstmals seit der Deregulierung 1994, als der seit 1986 geltende Wert von 3,50% auf 4,00% erhöht wurde, erfolgt mit der Anpassung des Höchstrechnungszinses auf 1,00% eine Anhebung. Etliche Unternehmen haben daher in Folge der sich immer weiter konkretisierenden Zinsanhebung verlautbart, im Falle der Anpassung der DeckRV, neu abgeschlossene Versicherungsverträge zeitnah von dem neuen erhöhten Höchstrechnungszins profitieren zu lassen. Unter diesen Ankündigungen finden sich verschiedene Varianten, wie derartige Leistungs-/Beitragsbestimmungsklauseln1 mit dem Kunden vereinbart werden können.
Äußerung der Deutschen Aktuarvereinigung
Am 19. Juli 2024 hat das Finanzministerium mit der Sechsten Verordnung zur Änderung von Verordnungen nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz die DeckRV geändert und den Höchstrechnungszins ab dem 1. Januar 2025 auf 1,00 % festgelegt. Vor diesem Hintergrund hat die DAV als berufsständische Interessenvertretung am 23. September 2024 einen Ergebnisbericht zu den „Auswirkungen der Anpassung des Höchstrechnungszinses zum 01.01.2025“ veröffentlicht. Dieser richtet sich insbesondere an die Aktuare in der Lebensversicherung und in der Wirtschaftsprüfung und fokussiert sich auf die Auswirkungen auf die HGB-Bilanzierung.
Das Dokument diskutiert dabei einerseits anhand der Formulierung in §2 DeckRV, dass der „zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verwendete Rechnungszins für die Berechnung der Deckungsrückstellung für die gesamte Laufzeit des Vertrages“ anzusetzen ist, unter der Berücksichtigung verschiedener Fallkonstellationen, welcher Stand der DeckRV für die Diskontierung der Deckungsrückstellung maßgeblich ist. Hieraus ergibt sich, inwiefern ein Höchstrechnungszins von 0,25% respektive 1,00% für die Bewertung relevant ist.
Andererseits wird vor dem Hintergrund vertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten die Fragestellung adressiert, zu welchem Zeitpunkt die Festlegung der Zinsgarantie bei einer Leistungsbestimmungsklausel – hierfür werden einige Beispiele für sogenannte „Abschnittsgarantien“ und „Umstellungsoptionen“ genannt – erfolgt und wie sich hieraus die bilanzielle Behandlung ableitet. Sollte eine Wechseloption oder -garantie bestehen, die mit dem Abschluss eines vertragsrechtlichen Neuvertrages im Jahr 2025 einhergeht, kommen bei einer entsprechenden Ausübung im Jahr 2025 die dann geltenden rechtlichen und in den AVB geregelten vertraglichen Vereinbarungen zur Anwendung.
Abschließend wird der Aspekt der Leistungsbestimmungsklausel nochmals für Rentenversicherungsverträge des Bestandes aufgegriffen, da die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für konventionelle und insbesondere fondsgebundene Rentenversicherungen Klauseln beinhalten können, nach denen zum Rentenbeginn ein Rentenfaktor unter Berücksichtigung der dann geltenden Rechnungsgrundlagen festgelegt wird. Damit wird der für die Bewertung der Deckungsrückstellung maßgebliche bilanzielle Zinsvektor erst zu diesem Zeitpunkt festgelegt.
Weitere Aspekte
Die DAV äußert sich nicht weiter bezüglich der vertraglichen Gestaltungen bzw. Gestaltungsmöglichkeiten. In jedem Fall ist das gegenüber dem Kunden ausgesprochene Leistungsversprechen, das insbesondere der vertragsindividuellen Gestaltung des Vertrags sowie der möglicherweise darin enthaltenen Optionen zugrunde liegt, für die bilanzielle Abbildung maßgeblich. Dies gilt insbesondere für den nach §25 Abs. 2 RechVersV mindestens anzusetzenden vertraglich oder gesetzlich garantierten Rückkaufswert. Zudem sind mögliche Anhangangaben, insbesondere bezüglich der Methoden und Berechnungsgrundlagen gemäß §52 RechVersV, relevant.
Mit der Umstellung des Rechnungszinses erfolgt typischerweise der Vertrieb einer neuen Tarifgeneration. Dabei sieht §23 VAG als Teil der Geschäftsorganisation sowohl beim Verkauf neuartiger als auch jeder wesentlichen Veränderung bestehender Versicherungsprodukte ein Produktfreigabeverfahren vor. Letzteres liegt insbesondere vor, wenn mindestens eines der in Art. 3 Abs. 2 POG-VO genannten Elemente („Deckung, Preis, Kosten, Risiko, Zielmarkt, Entschädigung und Garantierechte“) betroffen ist – was mindestens durch die Auswirkung auf Beitrags- bzw. Leistungshöhe durch den neuen Rechnungszins erfüllt sein dürfte. Vor dem Hintergrund, dass potenzielle Kunden bezüglich des Neuabschlusses von Verträgen sensitiv gegenüber dem Garantiezins sein könnten, sind die entsprechenden Zielmarkt-Risiken hier zu diskutieren. Die Einschätzung zu rechtlichen Risiken sind deshalb insbesondere sowohl für das Risikomanagement als auch die Compliancefunktion relevant.
Bei weiteren Fragen zur aktuariellen Bilanzierung von Lebensversicherungen und Pensionseinrichtungen, der Modellierung, Produktentwicklung und der diesbezüglichen Governance sowie den aktuellen Entwicklungen rund um Product Oversight und Governance und diesbezüglichen Conductfragestellungen kommen Sie gerne auf mich und meine Kolleg:innen von Actuarial Risk Modelling Services aus GRC Insurance zu! Wir freuen uns auf den Austausch!
1Das DAV-Papier spricht von Leistungsbestimmungsklauseln, bei festgehaltener Leistung kann es jedoch auch zu einer anderen Beitragsbestimmung kommen.
Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote. |
---|