EuGH: Eingeschränkte nationale Prüfung der Kapitalverkehrsfreiheit bei bestehender Beihilfe
In einem niederländischen Fall geht es um die beantragte Erstattung der von der niederländischen Finanzverwaltung einbehaltenen Dividendensteuer eines deutschen Spezial-Fonds aufgrund der unionsrechtlich vorgesehenen Kapitalverkehrsfreiheit. Dies alles im Lichte einer bereits früher festgestellten Beihilferegelung durch die Kommission. Der EuGH entschied, dass - wenn die Kapitalertragsteuererstattung eine Beihilferegelung darstellt – das nationale Gericht nicht befugt wäre, über die Frage der Kapitalverkehrsfreiheit zu entscheiden.
Das Urteil betrifft einen Rechtsstreit zwischen A-Fonds, einem Investmentfonds deutschen Rechts ohne eigene Rechtspersönlichkeit (Spezial-Sondervermögen), und den niederländischen Steuerbehörden. A-Fonds, dessen Anteile von einer deutschen Anstalt des öffentlichen Rechts (BBB) gehalten wird, beantragte die Erstattung einbehaltener niederländischer Dividendensteuer, welche von der Steuerbehörde und auch vom zuständigen Steuergericht mit der Begründung verweigert wurde, dass BBB nicht in den Niederlanden niedergelassen bzw. ansässig sei. Nach niederländischem Steuerrecht sind die betreffenden öffentlichen Unternehmen von der Körperschaftsteuer befreit, was die Europäische Kommission in 2013 dazu veranlasst hatte, in dieser Steuerbefreiung eine unzulässige staatliche Beihilfe zu sehen. Das niederländische Berufungsgericht als zweite Instanz geht im Vorlagefall davon aus, dass die der BBB verweigerte Erstattung gegen die unionsrechtlich garantierte Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV verstößt und hat in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, ob eine solche Erstattung mit den Vorschriften über staatliche Beihilfen vereinbar ist bzw. ob die Ausweitung des Anwendungsbereichs einer bestehenden Beihilferegelung infolge der erfolgreichen Berufung eines Steuerpflichtigen auf die Kapitalverkehrsfreiheit eine als Änderung einer bestehenden Beihilfe aufzufassende neue Beihilfemaßnahme ist. Da das Berufungsgericht die niederländische Steuerregelung, welche die Erstattung der Dividendensteuer vorsehe, generell für eine bestehende staatliche Beihilferegelung hält, möchte es vom EuGH geklärt wissen, ob es die Vorschriften über staatliche Beihilfen es dem niederländischen Steuergericht verwehren, dem von A-Fonds auf Art. 63 AEUV gestützten Antrag auf Erstattung der Dividendensteuer stattzugeben.
Die Quintessenz der Luxemburger Entscheidung: Das vorlegende Gericht sei in der Tat nicht befugt, zu prüfen, ob das nach niederländischen Steuerrecht zwecks Erstattung erforderliche Ansässigkeits-/Sitzerfordernis mit Art. 63 AEUV vereinbar ist, da gemäß den Art. 107 und 108 AEUV (zur Unvereinbarkeit von staatlichen Beihilfen) hier zunächst ausschließlich die Europäische Kommission befugt ist, die generelle Vereinbarkeit von Beihilfemaßnahmen mit dem Binnenmarkt zu beurteilen.
Es sei einem nationalen Gericht aufgrund der Art. 107 und 108 AEUV nämlich dann verwehrt, bei einer bestehenden Beihilferegelung die Vereinbarkeit eines Sitzerfordernisses mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu prüfen, wenn dieses Erfordernis, wie im vorliegenden Fall, untrennbar mit der Beihilferegelung verknüpft ist.
Zwar fallen den nationalen Gerichten und der Kommission bei der Kontrolle staatlicher Beihilfen einander ergänzende aber unterschiedliche Rollen zu. Jedoch nur dann, wenn eine Beurteilung durch die nationalen Gerichte isoliert möglich ist. Jedoch seien, so der EuGH, die Modalitäten der Beihilfe hinsichtlich des Ansässigkeitserfordernisses und der Erstattung der Dividendensteuer hier untrennbar miteinander verbunden. Daher sei es nicht möglich, die zu entscheidenden Frage zu isolieren, ohne die Zuständigkeiten zwischen Kommission und nationalen Gerichten auf dem Gebiet der Beihilfen zu beeinträchtigen.
Im Übrigen gehe das niederländische Gericht in seinem Vorlagebeschluss selbst davon aus, dass die Erstattung der Dividendensteuer nach niederländischen Recht für nicht körperschaftsteuerpflichtige und in den Niederlanden ansässige Personen untrennbar mit der sich ergebenden Befreiung öffentlicher Unternehmen von der Körperschaftsteuer verbunden sei, in der die Europäische Kommission bereits in ihrem Beschluss vom 2. Mai 2013 eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare bestehende Beihilferegelung gesehen habe, und dass die Erstattung daher ebenfalls eine bestehende Beihilferegelung darstelle.
Fundstelle
EuGH-Urteil vom 2. Mai 2019 (C-598/17), A-Fonds