Update: Unternehmereigenschaft eines Angestellten als Aufsichtsratsmitglied der Tochtergesellschaft
Unter welchen Voraussetzungen ist ein leitender Angestellter der Konzernmutter, der als Aufsichtsratsmitglied in eine Tochter-AG entsandt wird, umsatzsteuerlich als Unternehmer anzusehen? Dieser Frage musste das Finanzgericht Münster nachgehen und hat die Unternehmereigenschaft des Klägers bejaht.
Der Kläger war in den Streitjahren 2013 - 2015 Leiter der Organisationseinheit Strategie Konzern der S AG, außerdem war er bis zum März 2015 Aufsichtsratsmitglied der E AG, einer 100%igen Tochter der S AG. Gemäß der Satzung der E AG erhält jedes Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine jährliche Festvergütung von 20.000 € und im Falle einer nicht ganzjährigen Tätigkeit einen zeitanteiligen Anteil davon. Nach dem Anstellungsvertrag zwischen Kläger und S AG sind Vergütungen für die Wahrnehmung von Aufsichtsratsmandaten in Konzerngesellschaften jährlich der Gesellschaft zu melden und auch nach dorthin abzuführen. Die E AG rechnete gegenüber dem Kläger die Aufsichtsratsvergütung für 2013 mit Gutschrift und unter offenem Umsatzsteuerausweis ab. Damit war der Kläger nicht einverstanden. Er meint, er habe die Aufsichtsratstätigkeit im Rahmen seiner nichtselbstständigen Haupttätigkeit als leitender Angestellter der S AG ohne gesonderte Vergütung ausgeübt. Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück.
Keine unselbständige Tätigkeit
Der Kläger war im Hinblick auf seine Aufsichtsratstätigkeit weder in die S AG, noch in die E AG so eingegliedert, dass er den Weisungen der beiden Gesellschaften zu folgen verpflichtet war. Die Weisungsgebundenheit sei, so das Gericht, zwar nicht gemäß § 111 Abs. 5 Aktiengesetz explizit ausgeschlossen, jedoch sinngemäß die Unterwerfung unter den Willen anderer. Für die Weisungsfreiheit spreche auch die jedes Aufsichtsratsmitglied persönlich treffende Verantwortlichkeit und Haftung gemäß §§ 116, 93 Aktiengesetz.
Weisungsfreiheit auch im Konzernverbund nicht eingeschränkt
Die Weisungsfreiheit des Klägers ist auch nicht dadurch eingeschränkt, dass die Gesellschaft, für die der Kläger als Aufsichtsrat tätig war, eine abhängige Tochtergesellschaft des Arbeitgebers des Klägers war. Der Überwachungsauftrag des Aufsichtsrats in einer abhängigen Gesellschaft ist nicht anders zu sehen, als in einer unabhängigen Gesellschaft. Auch hier muss das Aufsichtsratsmitglied im Wesentlichen die Leitungsmaßnahmen des Vorstands überwachen. Dabei ist er dem Gesellschafts- und nicht dem Konzerninteresse verpflichtet.
Keine Einflussmöglichkeit durch Muttergesellschaft
Die Richter sehen zwar eine faktische Einflussnahme der S AG, weil die Wahl zum Aufsichtsratsmitglied maßgeblich durch seine leitende Tätigkeit dort verursacht war. Für die Frage einer Weisungsgebundenheit einer Tätigkeit komme es jedoch nicht darauf an, dass der Anweisende die Person, die die Tätigkeit ausüben soll, auswählt und austauschen kann. Maßgeblich ist die Ausführung der Aufsichtsratstätigkeit selbst. Hierauf kann der Entsendungsberechtigte in rechtlicher Weise keinen Einfluss nehmen.
Aufsichtsratstätigkeit wurde gegen Entgelt ausgeführt
Die Abführungspflicht im Hinblick auf die Aufsichtsratsvergütung gemäß dem Anstellungsvertrag lässt die Einnahmeerzielungsabsicht des Klägers nicht entfallen. Maßgeblich ist das Verhältnis zwischen dem Kläger und der E AG. Die Abführungspflicht betrifft hingegen das Verhältnis des Klägers zu seinem Arbeitgeber. Nach der Rechtsprechung des BFH, ist es für ein umsatzsteuerliches Leistungsverhältnis grundsätzlich unerheblich, ob dem Leistenden der wirtschaftliche Erfolg verbleibt.
Update (25. Juli 2019)
Das Verfahren beim BFH unter dem alten Az. V R 62/17 ruhte gemäß Beschluss vom 12. Februar 2019 bis zur Entscheidung des EuGH in dem Verfahren Rechtssache "IO", C-420/18, siehe unseren Blogbeitrag. Das Verfahren wurde unter dem neuen Az. V R 23/19 wieder aufgenommen.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 26. Januar 2017 (5 K 1419/16 U); die Revision ist beim BFH unter dem Az. V R 23/19 anhängig.