EuGH nimmt Stellung zur Steuerbefreiung von Postuniversalleistungen

Der Europäische Gerichtshof hat in einem Urteil vom 16. Oktober 2019 zu zwei deutschen Ausgangsfällen entschieden, dass Postdienstleister, die als Inhaber einer nationalen Lizenz verpflichtet sind, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, als "Universaldiensteanbieter" anzusehen sind, so dass solche förmlichen Zustellungen als von "öffentlichen Posteinrichtungen "erbrachte Dienstleistungen nach Art.132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

Sachverhalt

Dem EuGH wurden vom Bundesfinanzhof (BFH) per Vorabentscheidungsersuchen in zwei Verfahren (V R 8/16 sowie V R 30/15) mehrere Fragen zur Steuerbefreiung von Postuniversalleistungen vorgelegt. Die Verfahren wurden zusammengefasst, da es bei Beiden um die Frage geht, ob die betreffenden Leistungen der Unternehmen, die jeweils im Wesentlichen förmliche Zustellungen durchführten, nach europäischem Recht umsatzsteuerfrei sein können. Während das Verfahren V R 30/15 noch die alte nationale Rechtslage betrifft, galt im Verfahren V R 8/16 bereits die aktuelle Fassung des Umsatzsteuergesetzes (UStG).

Der BFH hatte dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Unternehmer, der die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften, also etwa für Behörden oder Gerichte, durchführt, als ein "Anbieter von Universaldienstleistungen" im Sinne von Art. 2 Nr. 13 Richtlinie 97/67/EG (sog. Post-Richtlinie) gelten kann.

Entscheidung des EuGH

Nach Art.132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL sind die von öffentlichen Posteinrichtungen erbrachte Dienstleistungen und die dazugehörigen Lieferungen von Gegenständen von der Umsatzsteuer befreit.

Wie der EuGH ausführt, werden die in der MwStSystRL enthaltenen Steuerbefreiungen unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen, doch können sich die Bedingungen nicht auf die Definition des Inhalts der vorgesehenen Steuerbefreiungen erstrecken. Diese Steuerbefreiungen stellen nämlich eigenständige Begriffe des Unionsrechts dar und erfordern daher eine einheitliche Definition auf der Ebene der Europäischen Union. Die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiung umschrieben wird, sind dabei eng auszulegen.

Der Zweck dieser Steuerbefreiungen ist die Förderung bestimmter Tätigkeiten im Gemeinwohlinteresse, wie die von den öffentlichen Posteinrichtungen erbrachten Dienstleistungen. Die Befreiung gilt nicht für spezifische, von den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse trennbare Dienstleistungen, zu denen Dienstleistungen gehören, die besonderen Bedürfnissen von Wirtschaftsteilnehmern entsprechen und deren Bedingungen einzelvertraglich ausgehandelt worden sind.

Nach der Rechtsprechung des EuGH sind “öffentliche Posteinrichtungen“ im Sinne der MwStSystRL öffentliche oder private Betreiber die sich verpflichten, postalische Dienstleistungen zu erbringen, die den grundlegenden Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen.

Zwar werden die Eckpunkte des Begriffs „Leistungen des Universalpostdienstes“ in der Post-Richtlinie definiert; demnach bietet ein solcher Dienst ständig flächendeckend postalische Dienstleistungen einer bestimmten Qualität zu tragbaren Preisen für alle Nutzer. Jedoch erlassen die Mitgliedstaaten nach Art. 3 Abs. 4 die erforderlichen Maßnahmen, damit der Universaldienst mindestens Leistungen, die aus der Abholung, dem Sortieren, dem Transport und der Zustellung von Postsendungen und Postpaketen sowie Dienste für Einschreib- und Wertsendungen umfasst.

Die in den vorgelegten Fällen erbrachten Leistungen, die aus der förmlichen Zustellung von Schriftstücken im Rahmen von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren bestehen, sind als Teil des Universaldienstes anzusehen. Für die Klägerinnen galten Vorschriften, die nicht einzelvertraglich ausgehandelt wurden, sondern sich aus speziellen Verpflichtungen aufgrund der deutschen Regelung ergaben. Die erbrachten Dienste sollen nicht besonderen Bedürfnissen von Wirtschaftsteilnehmern oder von bestimmten anderen einzelnen Nutzern entsprechen, sondern darauf abzielen, eine ordnungsgemäße Rechtspflege sicherzustellen, da sie die förmliche Zustellung von Dokumenten im Rahmen von Gerichts- oder Verwaltungsverfahren ermöglichen.

Die den Klägerinnen erteilte Lizenz, die es ihnen gestattet, Briefzustelldienstleistungen zu erbringen, verpflichtet sie auf der anderen Seite, förmliche Zustellungen von Schriftstücken unabhängig von ihrem Gewicht gemäß den Verfahrensordnungen und den Gesetzen über die Verwaltungszustellung durchzuführen.

Abschließend kommt der EuGH deshalb zu dem Ergebnis, dass die Leistungen der förmlichen Zustellungen als Leistungen des Universalpostdienstes anzusehen, die von „öffentlichen Posteinrichtungen“ erbracht werden und damit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2019 (C-4/18 und C-5/18).

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