Erlass von Nachzahlungszinsen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat, im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung entschieden, dass die Erhebung von Nachforderungszinsen nicht allein deshalb sachlich unbillig ist, weil die Änderung eines Steuerbescheids gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO erst nach Ablauf von 13 Monaten nach Erlass des Grundlagenbescheids erfolgt.

Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Zinshöhe sind vorrangig im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zinsfestsetzung und nicht im Erlassverfahren geltend zu machen.

Sachverhalt

Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger war als Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Notar tätig und erzielte als Gesellschafter mehrerer Partnerschaftsgesellschaften Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

Am 8. April 2014 ging bei dem für die Einkommensteuerveranlagung der Kläger zuständigen Finanzamt eine Mitteilung über Einkünfte des Klägers aus einer seiner Partnerschaftsgesellschaftsbeteiligungen ein. Daraufhin änderte das Finanzamt mit auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid vom 05.05.2015 die für das Streitjahr festgesetzte Einkommensteuer und setzte erstmalig Nachzahlungszinsen in Höhe von 305 EUR fest.

Nach einem erfolglosen Erlassantrag legten die Kläger gegen dessen Ablehnung Einspruch ein. Sie verlangten einen Teilerlass der Zinsen aufgrund der langen Bearbeitungsdauer sowie eine Anpassung der Höhe des Zinssatzes.

Sowohl das Einspruchsverfahren als auch die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg blieben ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Klage als unbegründet zurückgewiesen.

Die Ablehnung des Erlassantrags durch das Finanzamt war nicht ermessensfehlerhaft und folglich die Erhebung der streitigen Nachzahlungszinsen nicht unbillig i.S. des § 227 AO.

Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen, auf die die Kläger ihren Erlassantrag alleine stützen, ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft.

Die Verzinsungsregelung in § 233a AO bezweckt einen typisierten Ausgleich für die Liquiditätsverschiebungen, die aus dem individuell sehr unterschiedlichen Verlauf des Besteuerungsverfahrens entstehen können. Es soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden. Insoweit beruht die Vorschrift auf der zulässig typisierenden Annahme, dass derjenige, dessen Steuer ganz oder zum Teil zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, gegenüber demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit auch einen potentiellen Zinsvorteil hat.

Aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen ist und ob die möglichen Zins- und Liquiditätsvorteile tatsächlich bestanden und genutzt wurden, ist grundsätzlich unbeachtlich.

Eine verzögerte Bearbeitung des Steuerfalles durch die Finanzbehörde ist nach Auffassung des BFH deshalb für sich genommen nicht geeignet, eine abweichende Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen zu begründen

Das Finanzgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Hinweis der Kläger auf eine Bearbeitungszeit von 13 Monaten seit dem Eingang der Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen im Finanzamt für sich betrachtet keinen Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen rechtfertigt, zumal § 233a AO typisierend von einer Bearbeitungsdauer von 15 Monaten ausgeht.

Außerdem wäre es den Klägern möglich gewesen, die Zinsfestsetzung durch eine freiwillige Zahlung auf die zu erwartende Steuernachforderung zu vermeiden.

Auch die Einwendungen der Kläger gegen die Höhe des Zinssatzes nach § 233a Abs. 1, § 238 Abs. 1 Satz 1 AO rechtfertigen keinen Erlass der Nachzahlungszinsen aus Billigkeitsgründen. Derartige Einwendungen betreffen die Rechtmäßigkeit der Zinsfestsetzung und sind vorrangig im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zinsfestsetzung und nicht im Erlassverfahren geltend zu machen. Ausweislich der Gründe des angegriffenen Urteils ist die Zinsfestsetzung im Streitfall in Bestandskraft erwachsen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH, dass eine rechtlich unzutreffende, aber bestandskräftige Festsetzung von Steuern oder steuerlichen Nebenleistungen grundsätzlich nicht durch einen Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen nachträglich korrigiert werden kann.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 3. Dezember 2019 (VIII R 25/17), veröffentlicht am 12. März 2020.

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