Update: EuGH-Vorlage zur Unionsrechtmäßigkeit der Fondsbesteuerung nach dem InvStG 2004
Beim Bundesfinanzhof ist ein Revisionsverfahren unter anderem zu der Frage anhängig, ob die Nichtgewährung der Steuerbefreiung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Investmentsteuergesetz in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung eine Diskriminierung beschränkt steuerpflichtiger Investmentfonds darstellt und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. Der BFH hat das Verfahren ausgesetzt und den EuGH hierzu um Vorabentscheidung gebeten.
Sachverhalt und Ausgangslage
In dem anhängigen Verfahren klagt der Subfonds eines nach Luxemburger Recht errichteter geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform eines fonds commun de placement (FCP), ausgestaltet als spezialisierter Anlagefonds (fonds d´investissement spécialisé, -SIF-), mit Einkünften aus der Vermietung und der Veräußerung inländischer Immobilien auf Gewährung der Steuerbefreiung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Investmentsteuergesetz (InvStG). Der Kläger hat zwei institutionelle Anleger, die weder ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung in Deutschland haben. Verwaltet wird der Fonds durch eine Managementgesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Der Kläger pocht auf eine Diskriminierung beschränkt steuerpflichtiger Investmentfonds. In dem Verfahren ist darüber hinaus die Körperschaftsteuersubjektfähigkeit des Klägers strittig. Das Finanzgericht Münster hatte zum einen die inländische Steuerpflicht bejaht und einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verneint. Das Bundesministerium der Finanzen ist zwischenzeitlich dem Revisionsverfahren beigetreten.
Entscheidung des BFH
Die Revision ist auf der Grundlage des nationalen Rechts unbegründet, so der BFH in seiner Entscheidung (dort: Rz. 20 ff.). Unter anderem sei die fragliche Steuerbefreiung hier nicht einschlägig. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 gilt das inländische Sondervermögen als Zweckvermögen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG. Es ist von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit. Daher scheitert die direkte Anwendung dieser Regelung auf den Kläger (als ausländischer Fonds) am eindeutigen Gesetzeswortlaut.
Die in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 enthaltene Regelung könnte jedoch nach Dafürhalten des BFH gegen die unionsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit verstoßen. Der EuGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung in vier Urteilen zur Besteuerung von Fonds und zur Ungleichbehandlung bei der steuerlichen Behandlung von Dividenden Stellung genommen (Rz. 37). Der EuGH ist jeweils davon ausgegangen, dass eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vorlag, die nicht gerechtfertigt war. Ob die in den genannten Urteilen des EuGH konkretisierten unionsrechtlichen Vorgaben dazu führen, dass auch der Ausschluss eines ausländischen Fonds von der Steuerbefreiung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 als ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit anzusehen ist, ist bisher nicht einheitlich beurteilt. Nach Auffassung des BFH könnte jedoch die von § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 angeordnete Steuerbefreiung von nur inländischen Fonds wegen der rechtlichen Besonderheiten des nationalen Investmentsteuerrechts und der tatsächlichen Besonderheiten des Streitfalls (Kläger als Spezialimmobilienfonds) mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu vereinbaren sein. Im Sonderfall des Spezialimmobilienfonds werden dem ausländischen Anleger die inländischen Vermietungseinkünfte des Fonds unmittelbar (anteilig) als eigene, beschränkt steuerpflichtige Einkünfte zugerechnet.
Wegen verbleibender Zweifel hat der BFH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Steht Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (jetzt: Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union) der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, der zufolge inländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern von der Körperschaftsteuer befreit sind, während ausländische Spezial-Immobilienfonds mit ausschließlich ausländischen Anlegern hinsichtlich ihrer im Inland erzielten Vermietungseinkünfte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen?"
Ein entscheidendes Kriterium sieht der BFH in Beantwortung der Frage, ob der Ausschluss des Klägers von der Steuerbefreiung des § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystems gerechtfertigt sein könnte. Nach der zu Fonds ergangenen Rechtsprechung des EuGH könne ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung besteht. Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang könnte im Streitfall darin zu sehen sein, dass die Steuerbefreiung des inländischen Spezialimmobilienfonds ausgeglichen wird durch den im Wege der Volltransparenz gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 InvStG 2004 gegebenen unmittelbaren Besteuerungsdurchgriff auf die ausländischen institutionellen Anleger (Rz. 67 ff.)
Update (16. November 2020)
Das Az. des EuGH für das Vorabentscheidungsersuchen I R 33/17 des BFH lautet C-537/20.
Fundstelle
BFH, EuGH-Vorlage vom 18. Dezember 2019 (I R 33/17), veröffentlicht am 22. Oktober 2020.