Keine Mehrwertsteuerfreiheit von Wärmelieferungen einer Wohnungseigentümergemeinschaft
Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Finanzgerichts Baden-Württemberg hat der EuGH entschieden, dass die Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind - entgegen der gesetzlichen Vorschrift im Umsatzsteuergesetz - nicht von der Mehrwertsteuer befreit ist. Ein Vorsteuerabzug für den auf die Wärmeerzeugung entfallenden Anteil aus den Kosten für die Anschaffung und den Betrieb des Blockheizkraftwerks ist folglich möglich.
Hintergrund und Ausgangslage
Das Finanzamt verweigerte den Vorsteuerabzug für den auf die Wärmeerzeugung entfallenden Anteil aus den Kosten für die Anschaffung und den Betrieb des Blockheizkraftwerks und begründete dies damit, dass es sich bei der Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind, um einen nach dem deutschen Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfreien Umsatz handele. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat Zweifel, dass die deutsche Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 13 UStG mit der MwStSystRL vereinbar ist und hatte diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt (Vorlagebeschluss vom 12. September 2018 - 14 K 3709/16).
Nach § 4 Nr. 13 UStG sind befreit: „die Leistungen, die die Gemeinschaften der Wohnungseigentümer im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 403-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, in der jeweils geltenden Fassung an die Wohnungseigentümer und Teileigentümer erbringen, soweit die Leistungen in der Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, seiner Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung sowie der Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen bestehen“.
Entscheidung des EuGH
In seinem Urteil hat der EuGH ausgeführt, dass die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 13 UStG für die Leistungen der WEG an die Eigentümer keine unionsrechtliche Grundlage hat. Tenor: Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Richtlinie 2006/112/EG (…) über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Lieferung von Wärme durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft an die Eigentümer, die Mitglieder dieser Gemeinschaft sind, von der Mehrwertsteuer befreit ist.
Wärmelieferung als mehrwertsteuerpflichtige Lieferung eines Gegenstandes
Die Befreiung nach der Mehrwertsteuerrichtlinie lässt sich für den EuGH damit erklären, dass die Vermietung von Grundstücken, auch wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, normalerweise eine verhältnismäßig passive Tätigkeit darstellt, die nicht zu einer signifikanten Wertschöpfung führt. Eine solche Tätigkeit müsse daher von anderen Tätigkeiten unterschieden werden, die entweder gewerblichen Zwecken dienen oder einen Gegenstand haben, der eher durch die Erbringung einer Dienstleistung – im Gegensatz zu der bloßen Bereitstellung einer Sache (Grundstück) - charakterisiert wird.
Insofern handele es sich bei der betreffenden Wärmelieferung um die Lieferung eines Gegenstands, die grundsätzlich ein der Mehrwertsteuer unterliegender Umsatz im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie ist. Mit einer solchen Wärmelieferung hat diese Gemeinschaft einen körperlichen Gegenstand verkauft, der auf die Nutzung eines anderen körperlichen Gegenstands zurückzuführen ist, bei dem es sich zwar um ein Grundstück handelt, ohne dass jedoch den Erwerbern der Wärme, den Eigentümern, das Recht gewährt würde, das „Grundstück Blockheizkraftwerk“ in Besitz zu nehmen und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen.
Steuerbefreiung auch durch Protokollerklärung zur Richtlinie nicht gedeckt
Die deutsche Regierung hatte die Frage aufgeworfen, ob eine Steuerbefreiung wie in § 4 Nr. 13 UStG möglicherweise ihre Grundlage in der Protokollerklärung Nr. 7 der Tagung des Rates der Europäischen Union vom 17. Mai 1977 zu Art. 13 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG hat. Dazu der EuGH: Erklärungen, die bei vorbereitenden Arbeiten abgegeben wurden und die zum Erlass einer Richtlinie geführt haben, können bei der Auslegung der Richtlinie nicht berücksichtigt werden, wenn ihr Inhalt im Wortlaut der fraglichen Bestimmung keinen Ausdruck gefunden hat. Dies ist vorliegend der Fall, da weder Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie, der die Steuerbefreiung für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken vorsieht, noch Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der Mehrwertsteuerrichtlinie einen Hinweis darauf enthalten, dass die in besagtem Protokoll festgehaltene Erklärung in diesen Bestimmungen ihren Ausdruck gefunden hätte.
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 (C-449/19), WEG Tevesstraße
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.