Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG - Verwertungsbefugnis an einem Grundstück

Eine vertragliche Vereinbarung einer Herausgabe und die Verpflichtung zur Abgabe der Erklärung zur dinglichen Übertragung im Rahmen einer Vereinbarungstreuhand stellt ein Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG dar. Begründet eine Gesellschaft zu Gunsten eines Anderen die Verwertungsbefugnis an einem Gesellschaftsgrundstück, gehört dieses Grundstück für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG nicht mehr zum Vermögen dieser Gesellschaft. Eine doppelte Zurechnung (beim Treuhänder und Treugeber) ist nicht möglich. Dies hat das Hessische Finanzgericht entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin vom Veräußerer B im Wege eines Share Deals mittelbar Anteile an Gesellschaften (TG), in deren zivilrechtlichen Eigentum inländische Grundstücke standen.

An dem streitgegenständlichen Grundbesitz war bereits vor dem Share Deal zugunsten des B ein Treuhandverhältnis vereinbart worden. Danach hielten die TG den Grundbesitz für Rechnung und auf Gefahr des Treugebers und waren auf Verlangen jederzeit zur Herausgabe des Treugutes verpflichtet und mussten hierzu alle zur dinglichen Übertragung erforderlichen Erklärungen abzugeben.

Neben dem Share Deal übernahmen die TG von B auch alle Rechte und Pflichten aus den o.g. Treuhandverhältnissen. Die Finanzverwaltung qualifizierte sowohl die Übernahme des Treuhandverhältnisses als auch den Share Deal als grunderwerbsteuerbar.

Richterliche Entscheidung

Das Hessische Finanzgericht folgte nicht der Auffassung der Finanzverwaltung und verneinte das Vorliegen einer grunderwerbsteuerbaren Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG im Rahmen des Share Deals.

Obwohl die TG zivilrechtliche Eigentümerinnen der streitgegenständlichen Grundstücke waren, gehörten nach Auffassung des Finanzgerichts diese nicht mehr zum Vermögen der Treuhänderinnen i.S.d. § 1 Abs. 3 Grunderwerbsteuegesetz (GrEStG). Nach Auffassung des Gerichts stellten die durch den Treuhandvertrag eingegangenen Verpflichtungen im Streitfall ein (nicht aufschiebend bedingtes) Rechtsgeschäft dar, welches einen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks begründet (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG). Unter Rückgriff auf BFH II R 29/14 vom 20. Januar 2016 war damit die grunderwerbsteuerliche Zurechnung der Grundstücke zu den TG ausgeschlossen.

Zum gleichen Ergebnis kommt das Finanzgericht unter der Annahme, dass der Vorgang kein Rechtsgeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG darstellt (wie im Streitfall von der Finanzverwaltung vertreten). In diesem Fall würde nämlich jedenfalls die Einräumung einer Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG vorliegen, was eine Zurechnung des Grundbesitzes zu den Gesellschaften ausschließt. Die Möglichkeit einer doppelten Zurechnung des Grundbesitzes sowohl zum Treuhänder als auch zum Treugeber wurde ausdrücklich abgelehnt.

Fundstelle

Hessisches Finanzgericht, Gerichtsbescheid vom 12. November 2020 (5 K 2582/11); die Revision ist beim BFH unter dem Az. I R 44/20 anhängig.

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