Keine Rückstellung für Steuernachforderungen im Steuerentstehungsjahr

Nach einem Urteil des Finanzgerichts Münster darf eine Rückstellung für Mehrsteuern aufgrund einer Betriebsprüfung (im Streitfall Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer) auch dann, wenn es sich nicht um hinterzogene Steuern handele, erst in dem Wirtschaftsjahr gebildet werden, in dem der Sachverhalt durch die Betriebsprüfung aufgegriffen werde. Ebenfalls unzulässig sei die Bildung einer Rückstellung für in diesem Zusammenhang entstandenen zusätzlichen Steuerberatungskosten.

Sachverhalt

Der Streitfall betrifft die Frage, ob für 2012 eine Rückstellung für Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit einer Betriebsprüfung steuerlich möglich ist, und ferner darüber, ob im Wege eines Haftungsbescheides nachgeforderte Lohnsteuerabzugsbeträge als Betriebsausgaben in 2014 zu berücksichtigen sind.

Die Klägerin ist eine GmbH, die ein Taxiunternehmen betreibt. Gegen die als Folge einer Betriebsprüfung geänderten Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermessbetragsbescheide 2012 und 2014 legte die Klägerin Einspruch ein und machte geltend, dass aufgrund der bei ihr in 2017 durchgeführten Betriebsprüfung erhebliche Mehrkosten für Beratungstätigkeiten entstanden seien, so dass hierfür im Streitjahr 2012 eine Rückstellung in Höhe von 15.000 € gewinnmindernd zu berücksichtigen sei. Für das Streitjahr 2014 seien auch die nach einer (ebenfalls in 2017 durchgeführten) Lohnsteueraußenprüfung für 2013 und 2014 vom Finanzamt nachgeforderten Beträge aus dem Lohnsteuerhaftungsbescheid vom Juli 2017 als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Insoweit müsse, so die Klägerin, für 2012 eine Rückstellung für zusätzlichen Steuerberatungsaufwand im Zusammenhang mit der Prüfung und für 2014 eine Rückstellung für die Lohnsteuerhaftungsbeträge gebildet werden können.

Entscheidung des Finanzgerichts

Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet zurück. Eine Rückstellung für Mehrsteuern aufgrund einer Betriebsprüfung (im Streitfall Haftung des Arbeitgebers für Lohnsteuer) dürfe auch dann, wenn es sich nicht um hinterzogene Steuern handele, erst in dem Wirtschaftsjahr gebildet werden, in dem der Sachverhalt durch die Betriebsprüfung aufgegriffen werde. Das Finanzgericht musste hierbei nicht danach differenzieren, ob der Aufgriff schon bei Erlass der Prüfungsanordnung vorliegt oder erst dann, wenn der Prüfer das Thema konkret anspricht. Im Streitfall fanden sowohl der Erlass der Prüfungsanordnung als auch die Prüfung selbst und der Erlass des Haftungsbescheids im Jahr 2017 statt, während die Klägerin die steuermindernde Berücksichtigung der Rückstellung im VZ 2014 beantragte. Die Ausführungen des Gerichts im Einzelnen:

Die von der Klägerin beantragte Rückstellung für zusätzlichen Beratungsaufwand kann nicht wie beantragt gewinnmindernd berücksichtigt werden. Das im Streitfall „auslösende“ Ereignis für die betreffenden Aufwendungen war die Durchführung einer Betriebsprüfung. Dieses „auslösende“ Ereignis war jedoch noch nicht im Jahr 2012 eingetreten. Die Prüfungsanordnungen für die Betriebsprüfung und für die Lohnsteuer-Außenprüfung sind beide im Februar 2017 an die Klägerin erlassen worden und die Außenprüfung als sogenannte Kombiprüfung ab April durchgeführt worden.

Auch die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten liegen im Streitfall nicht vor. Insoweit mangelte es für eine Rückstellungsbildung an einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme seitens des Finanzamts.

Im Streitfall wirken sich die im Zusammenhang mit der Haftungsinanspruchnahme geltend gemachten Lohnsteuerbeträge bei der Klägerin frühestens zum Bilanzstichtag 31.12.2017 gewinnwirksam aus. Denn erst mit dem Erlass der Prüfungsanordnungen sowie dem Beginn der Kombiprüfung durch die Finanzverwaltung musste die Klägerin ernsthaft mit einer quantifizierbaren Inanspruchnahme wegen der Lohnsteuerbeträge seitens des Beklagten rechnen. Dies ist nach der BFH-Rechtsprechung bei hinterzogenen Steuern frühestens dann der Fall, wenn eine Aufdeckung der Hinterziehung unmittelbar bevorsteht.

Die Entscheidung der Frage, ob eine Rückstellung für die Nachforderung nicht hinterzogener Steuerbeträge aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahr der wirtschaftlichen Veranlassung oder in dem Jahr zu bilden ist, in dem der Sachverhalt von der Betriebsprüfung „aufgegriffen“ wird, ist jedoch bislang nicht abschließend geklärt. Aus diesem Grund hat das Finanzgericht die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Fundstelle

Finanzgericht Münster, Urteil vom 24. Juni 2021 (10 K 2084/18 K,G); die Revision ist beim BFH unter dem Az. XI R 19/21 anhängig.

Zum Anfang