EuGH zur Frage der Entstehung der Umsatzsteuer bei Vermittlungsleistung und Ratenzahlung

Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesfinanzhofs hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass bei einer einnmaligen und nicht zeitraumbezogenen Vermittlung eines Grundstückskaufes mit anschließender Ratenzahlung des Honorars die Umsatzsteuer nicht anteilig erst im Zeitpunkt der jeweiligen Ratenzahlung entsteht. Vielmehr müsse von einer Versteuerung des gesamten Vermittlungshonorars bereits im Jahr der Erbringung der Vermittlungsleistung ausgegangen werden.

Hintergrund

Aufgrund einer EuGH-Vorlage vom 07. Mai 2020 (V R 16/19) hat der BFH um Vorabentscheidung zur Steuerentstehung bei einer Vermittlungsleistung, die in Raten gezahlt wird, gebeten und in diesem Zusammenhang die weitere Frage gestellt, ob die Erstreckung der hinausgeschobenen Fälligkeit über mehr als zwei Vorauszahlungszeiträume bei einer Ratenzahlungsvereinbarung zur Uneinbringlichkeit des vereinbarten Entgelts führt. Konkret handelt es sich bei dem strittigen Umsatz um eine einmalige Dienstleistung (Vermittlung eines Grundstückskaufes), die vollständig im Jahr 2012 bewirkt wurde und das in fünf Raten zu zahlende Honorar von insgesamt 1 000 000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer sich vollumfänglich nur auf diese Leistung bezogen hat (mehr zum BFH-Vorlagebeschluss in unserem Blogbeitrag vom 29. Juli 2020).

Letzteres sah der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 1. Juli 2021 (siehe dazu unseren Blogbeitrag vom 5.7. 2021) als entscheidendes Kriterium dafür, dass das gesamte Vermittlungshonorar als einmalige Leistung im Jahr 2012 zu versteuern ist; eine dauerhaft über einen längeren Zeitraum erbrachte Leistung, die eine Umsatzversteuerung jeweils erst zum Zeitpunkt der (Raten)Zahlung rechtfertige, sei vorliegend nicht gegeben.

Entscheidung des EuGH

Auch der EuGH ist - in Beantwortung der ersten Vorlagefrage – der Auffassung, dass eine in Raten vergütete einmalige Dienstleistung nicht dem Anwendungsbereich von Artikel 64 - nämlich der Entstehung der Umsatzsteuer mit Ablauf der jeweiligen Ratenzahlung - unterfällt. Nach Art. 63 der Richtlinie 2006/112 entsteht der Steueranspruch nämlich zu dem Zeitpunkt, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird, also zum Zeitpunkt der Ausführung des betreffenden Umsatzes, unabhängig davon, ob die für diesen Umsatz geschuldete Gegenleistung bereits entrichtet worden ist. Die vom BFH in seinem Vorlagebeschluss erwähnten Fälle (die Vermittlung von Profifußballspielern sowie im Fall einer über einen längeren Zeitraum erbrachten Beratungsleistung), in denen der EuGH die Anwendbarkeit dieser Bestimmung bejaht hatte, betrafen Dienstleistungen, die während bestimmter Zeiträume auf der Grundlage vertraglicher Beziehungen erbracht wurden und sozusagen Dauerschuldverhältnisse begründeten.

Was im Übrigen die Formulierung „Leistungen, die zu aufeinanderfolgenden Zahlungen Anlass geben“ betrifft, so der EuGH, sei dies dahingehend zu verstehen, dass sie sich nur auf solche Leistungen bezieht, die ihrer Art nach eine Ratenzahlung rechtfertigen, d. h. solche, die nicht einmalig, sondern wiederholt oder kontinuierlich während eines bestimmten Zeitraums erbracht werden. Folglich setze die Anwendung des Art. 64 Abs. 1 einen Zusammenhang zwischen der Art der betreffenden Leistungen und der ratenweisen Zahlung voraus, so dass diese Bestimmung eine einmalige Leistung (wie hier die Vermittlung) auch dann nicht betreffen kann, wenn diese in Raten vergütet werden soll.

Diese wörtliche Auslegung von Art. 64 werde durch dessen Ziel und die Systematik der genannten Richtlinie bestätigt. Steuertatbestand und Steueranspruch seien keine Elemente, die zur freien Disposition der Parteien eines Vertrags stehen. Es liefe daher Art. 63 der Richtlinie 2006/112 zuwider, wenn man einem Steuerpflichtigen, der eine einmalige Leistung erbracht und gleichzeitig für die Vergütung dieser Leistung eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen hat, die Möglichkeit einräumen würde, den Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld und der Fälligkeit der Mehrwertsteuer quasi selbst zu bestimmen.

Auch im Hinblick auf die zweite Vorlagefrage stellt der EuGH – insoweit ebenso im Einklang mit den Empfehlungen des Generalanwalts in seinen Schlussanträgen - fest, dass Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass bei Vorliegen einer Ratenzahlungsvereinbarung die Nichtbezahlung eines Teilbetrags der Vergütung vor seiner Fälligkeit nicht als Nichtbezahlung des Preises im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden und deshalb nicht zu einer Verminderung der Steuerbemessungsgrundlage führen kann.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 28. Oktober 2021 (C‑324/20), X-Beteiligungsgesellschaft

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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