Überblick über die steuerlichen Punkte des Koalitionsvertrages der Ampelparteien
Am 24. November wurden die Koalitionsvereinbarungen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP abgeschlossen. Die Zustimmung der drei Parteien zum Koalitionsvertrag steht derzeit noch aus. BÜNDNIS 90/Die Grünen lassen ihre Mitglieder ab dem 24. November 2021 zehn Tage über den Koalitionsvertrag und das Personaltableau abstimmen.
Die SPD hält am 4. Dezember 2021 einen außerordentlichen Bundesparteitag ab, um über den Koalitionsvertrag abzustimmen - die FDP möchte am 5. Dezember 2021 über den Koalitionsvertrag entscheiden.
Unseren steuern+recht newsflash "Unternehmenssteuerliche Eckpunkte des Koalitionsvertrages der Ampelparteien vom heutigen Tage" vom 24. November 2022 finden Sie hier.
Während einige Punkte bereits im Sondierungspapier enthalten waren (vgl. unseren Blogbeitrag), enthält der Koalitionsvertrag einige Neuerungen bzw. Änderungen.
Im Folgenden sind die wesentlichen steuerrelevanten Punkte aus dem Koalitionsvertrag der Ampelparteien nach Steuerarten geordnet:
Einkommensteuer
- Verlängerung und Evaluierung der "steuerlichen Regelung des Homeoffice" für Arbeitnehmer bis zum 31.12.2022 (hiermit ist wohl die Homeoffice-Pauschale nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 4 EStG gemeint);
- stärkere Ausrichtung der Dienstwagenbesteuerung auf rein elektrische Fahrzeuge; Hybridfahrzeuge sollen zukünftig nur bei einer überwiegenden Nutzung (> 50%) des rein elektrischen Fahrantriebs privilegiert (Entnahmewert 0,5%) werden;
- Erhöhung der Mini- bzw. Midi-Job-Grenze auf 520 Euro bzw. 1.600 Euro; künftig soll sich die Minijob-Grenze an einer Wochenarbeitszeit von 10 Stunden zu Mindestlohnbedingungen orientieren;
- Erhöhung des Sparerpauschbetrags auf 1.000 Euro bzw. 2.000 Euro bei Zusammenveranlagung;
- Anhebung des Steuerfreibetrags für den Pflegebonus auf 3.000 Euro (nach § 3 Nr. 11a EStG);
- Erhöhung des Ausbildungsfreibetrags von 924 auf 1.200 Euro;
- Verhinderung einer doppelten Rentenbesteuerung (hierzu soll der Vollabzug der Rentenversicherungsbeiträge als Sonderausgaben - statt nach dem Stufenplan ab 2025 – vorgezogen werden und bereits ab 2023 erfolgen; zudem sollen die steuerpflichtigen Rentenanteile ab 2023 nur noch um einen halben Prozentpunkt steigen; damit soll Vollbesteuerung der Renten erst ab 2060 erreicht werden);
- attraktivere Ausgestaltung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung u.a. durch eine weitere Anhebung des Steuerfreibetrags (nach § 3 Nr. 39 EStG);
- Förderung von haushaltsnahen Dienstleistungen u.a. durch ein Zulagen- und Gutscheinsystem und die Möglichkeit für flankierende steuerfreie Arbeitgeberzuschüsse;
- Weiterentwicklung der Familienbesteuerung u.a. durch Überführung der Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV;
- Entlastung von Alleinerziehende durch Steuergutschrift
Unternehmenssteuern
- Einführung von "Superabschreibungen" für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung im Jahr der Anschaffung, was gezielte Investitionsanreize in den Jahren 2022 und 2023 setzen soll;
- Verlängerung der durch das Dritte Corona-Steuerhilfegesetz eingeführten erweiterten Verlustverrechnung bis Ende 2023 und Ausweitung des Verlustvortrags auf die zwei unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeiträume;
- Evaluierung und Prüfung von Optionsmodell (eingeführt im Rahmen des Gesetzes zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts und der Thesaurierungsbesteuerung auf notwendige praxistaugliche Anpassungen;
- Einführung einer Zinshöhenschranke, die die Zinsschranke ergänzen soll;
- Modernisierung und Beschleunigung von Betriebsprüfungen (u.a. verbesserte Schnittstellen, Standardisierung und den sinnvoller Einsatz neuer Technologien; Einrichtung einer zentralen Organisationseinheit auf Bundesebene zur Sicherung der Anschlussfähigkeit der Steuerverwaltung an den digitalen Wandel und für eine spürbare Verringerung der Steuerbürokratie)
Wohnungsneubau/Immobilienerwerb/Grunderwerbsteuer
- Erhöhung der linearen Abschreibung für den Neubau von Wohnungen von zwei auf drei Prozent
- Erleichterung des Erwerbs von selbst genutztem Wohneigentum durch flexiblere Gestaltung (z.B. durch einen Freibetrag) der Grunderwerbsteuer durch die Länder;
- Gegenfinanzierung der Erleichterung beim Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum durch das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen (Share Deals; zu den erst kürzlich im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes erfolgten Verschärfungen);
- Versteuerungsnachweis für gewerbliche und private Immobilienkäufer aus dem Ausland sowie Verbot des Erwerbs von Immobilien mit Bargeld; für einen Eintrag ins Grundbuch soll eine ladungsfähige Anschrift verpflichtend sein; Prüfung der Machbarkeit des Grundbuchs auf der Blockchain
Erbschaftsteuer / Vermögensteuer
Die noch im Sondierungspapier enthaltene Aussage, dass man keine neuen Substanzsteuern (z.B. die Vermögensteuer) einführen möchte, ist nunmehr nicht im Koalitionsvertrag enthalten.
Änderungen auf EU-Ebene/International
- Ausweitung der Quellenbesteuerungsrechte im Bereich des Abkommensrechts;
- aktiver Einsatz für die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung (vgl. unseren Blogbeitrag);
- aktiver Einsatz für die Einführung einer europaweiten Luftverkehrsabgabe nach deutschen Vorbild (bis zur europäischen Entscheidung über die Einführung einer Kerosinsteuer in Anlehnung an den Energiegehalt);
- Weiterentwicklung der Einfuhrumsatzsteuer;
- Einführung eines endgültiges Mehrwertsteuersystems (z.B. Reverse-Charge) auf EU-Ebene;
- ständige Aktualisierung der "Steueroasen-Liste"
- Ausweitung des Informationsaustausches;
- Abbau der Unterschiede im Insolvenz-, Steuer-, Verbraucherschutz-, Aufsichts- und Gesellschaftsrecht auf EU-Ebene
Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Steuervermeidung
- weitere Intensivierung;
- a. Einführung einer globalen Mindestbesteuerung;
- Ausweitung der Anzeigepflichten für Steuergestaltungen auf nationale Steuergestaltungen von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 10 Millionen Euro
Sonstiges
- alle Ausnahmen von EEG-Umlage und Energiesteuern sowie die Kompensationsregelungen sollen überprüft und angepasst werden;
- Schaffung einer modernen Unternehmenskultur u.a. durch neue Unternehmensformen wie das Sozialunternehmen oder die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen; Steuersparkonstruktionen sollen dabei jedoch vermieden werden;
- Abbau u.a. von steuerrechtlichen Hürden für Sachspenden an gemeinnützige Organisationen zur Verhinderung der Vernichtung von Waren und Lebensmittelverschwendungen;
- gesetzliche Klarstellung, dass eine gemeinnützige Organisationen ohne Verlust ihrer steuerlichen Vergünstigung bei der Verfolgung ihrer steuerbegünstigten Zwecke auch politisch tätig sein können;
- Einführung eines elektronischen Meldesystems für die Erstellung, Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen zur Verhinderung der Betrugsanfälligkeit des Mehrwertsteuersystems und zur Modernisierung der Schnittstelle zwischen Verwaltung und Betrieben;
- Senkung der (Steuer-)Bürokratie durch höhere Schwellenwerte, volldigitalisierte Verfahren und durch eine Einrichtung einer zentralen Organisationseinheit auf Bundesebene zur Sicherung der Anschlussfähigkeit der Steuerverwaltung an den digitalen Wandel; Einführung von vorausgefüllten Steuererklärungen (sog. Easy Tax);
- Prüfung einer Abschaffung überflüssiger, unwirksamer und umwelt- und klimaschädlicher Subventionen und Ausgaben;
- personelle und organisatorische Stärkung von BMF, Zoll, BZSt, BaFin und FIU (Financial Intelligence Unit);
- Stärkung der Unabhängigkeit der Wirtschaftsprüfer;
- verbesserte Rahmenbedingungen von Wagniskapital;
- Verbesserung der Qualität der Daten im Transparenzregister;
- Überprüfung der steuerlichen Behandlung von Dieselfahrzeugen in der KFZ-Steuer
Fundstelle
Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP vom 24. November 2021.