Update: Abgrenzung Lieferung und sonstige Leistung bei der Abgabe von Speisen

Die Nutzung eines Food-Courts in einem Einkaufszentrum kann beim Verzehr von Speisen als überwiegendes Dienstleistungselement zum Vorliegen einer sonstigen Leistung führen, wenn die Einräumung dieser Nutzungsmöglichkeit aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers dem Speisenanbieter zuzurechnen ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin unterhält eine Kette von Fast-Food-Restaurants. Sie eröffnete in einem Einkaufszentrum eine neue Filiale. Dort verkaufte sie vorgefertigte Speisen in Einwegverpackungen. Die Abgabe an die Kunden erfolgte an einer Verkaufstheke. Ein eigener Sitz- und Verzehrbereich war nicht vorhanden.

Die Filiale befand sich in einem Bereich des Einkaufszentrums, in dessen Mitte ein Sitz- und Verzehrbereich vorhanden war, der von den Mietern und den Kunden des Zentrums gemeinsam genutzt werden durfte. Rund um diesen Sitz- und Verzehrbereich befanden sich insgesamt 15 Gastronomiebetriebe, u.a. die Filiale der Klägerin. Die Kosten für diesen Gemeinschaftsbereich wurden von den Mietern des Zentrums getragen.

Das beklagte Finanzamt ordnete die Verkäufe der Klägerin als dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistungen ein. Die Klägerin habe ihren Kunden durch die Zurverfügungstellung von Sitzgelegenheiten in dem Gemeinschaftsbereich einen Verzehr der Speisen an Ort und Stelle ermöglicht.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Einordnung ihrer Leistungen als Lieferung und damit die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes. Sie machte geltend, dass sie die Speisen zum Mitnehmen verkauft habe. Die im Einkaufszentrum bereitgestellten Tische könnten von allen Kunden des Einkaufszentrums genutzt werden, unabhängig davon, ob sie im Zentrum erworbene Speisen zu sich nehmen.

Die Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte keinen Erfolg (vgl. unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Zwar hat das Finanzgericht zutreffend entschieden, dass es für die Annahme einer sonstigen Leistung bei der Abgabe von Speisen auf zusätzliche Dienstleistungselemente wie z.B. die Einräumung einer Nutzungsmöglichkeit von Tischen und Sitzgelegenheiten bei deren Verzehr ankommt. Ebenso zutreffend hat das Finanzgericht entschieden, dass die Klägerin an der Verschaffung derartiger Dienstleistungselemente mitgewirkt hat. Das Finanzgericht hat dabei aber nicht hinreichend auf die hierfür maßgebliche Sichtweise des Durchschnittsverbrauchers abgestellt und dabei gegen §§ 12 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 3 Abs. 1 und 9 Umsatzsteuergesetz (UStG) verstoßen.

Entscheidet sich der Endkunde dafür, die materiellen und personellen Mittel, die ihm vom Steuerpflichtigen neben dem Verzehr der bereitgestellten Speisen angeboten werden, nicht in Anspruch zu nehmen, so ist davon auszugehen, dass keine unterstützende Dienstleistung mit der Abgabe dieser Speisen einhergeht (EuGH-Urteil vom 22. April 2021, C-703/19 „Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Katowicach“).

Auf die Möglichkeit, den Food-Court zwischen den dort speisenden Personen auch als Warte- oder Treffpunkt zu nutzen, kommt es nicht an. Letzteres ist im Hinblick auf die primär bestimmungsgemäße Nutzung des Food-Courts als Bereich zum Speisenverzehr im Gegensatz zum Foyer eines Kinos (BFH, Urteil vom 30. Juni 2011, V R 3/07; Rz 26) oder zum Eingangsbereich eines Krankenhauses ohne Abtrennung durch Trennwände (BFH, Urteil vom 03. August 2017, V R 61/16; Rz 21 f.) unbeachtlich.

Ausreichend ist, dass der Durchschnittsverbraucher aufgrund anderer Umstände davon ausgehen kann, dass er als Kunde der Klägerin zur Nutzung des Food-Courts berechtigt ist. Hierfür genügt die vom Finanzamt angesprochene Ausgabe der Speisen mit einem Tablett, da dieses typischerweise dazu dient, es dem Kunden zu ermöglichen, die von ihm erworbenen Speisen zu einem Verzehrort in der Nähe (hier dem Food-Court) zu bringen und diese dort an einem Tisch mit Sitzmöglichkeit zu verzehren. Es erschöpft sich dann die Leistung der Klägerin auch aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nicht auf die bloße Bestellung, Bezahlung und Mitnahme von Speisen am Verkaufstresen, sondern stellt sich als weitergehender Vorgang dar, der den Speisenverzehr in unmittelbarer Nähe zur Ausgabestelle einschließt.

Update (03. Mai 2022)

Das Urteil V R 42/20 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2022, Seite 219.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 26. August 2021 (V R 42/20), veröffentlicht am 02. Dezember 2021.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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