Entscheidung über die Zulässigkeit der Übertragung einer § 6b-Rücklage nicht im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung
Es ist zweifelhaft, ob aus § 6b EStG eine Befugnis zu gestuften Verwaltungsverfahren bei rechtsträgerübergreifender Übertragung stiller Reserven abgeleitet werden kann. In dem Besteuerungsverfahren für den reinvestierenden Betrieb ist nicht mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs zu entscheiden, ob dort die Veräußerung eines Wirtschaftsguts erst nach dem 31. Dezember 2001 erfolgt und deshalb die gesellschafterbezogene Betrachtung des § 6b EStG anzuwenden ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger eine in seinem landwirtschaftlichen Betrieb nach der Veräußerung einer betrieblichen Grundstücksfläche im Wirtschaftsjahr 2001/2002 gebildete Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum 30. Juni 2006 wirksam auf eine Beteiligung des Klägers an der Firma (KG) übertragen konnte.
Der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung (GuE) der KG für das Jahr 2006, lag hinsichtlich des Klägers eine Übertragung einer nach § 6b EStG gebildeten Rücklage in Höhe von 400.000 EUR zugrunde.
Das Finanzamt führte im Prüfungsbericht vom 28. Juli 2011 aus, dass eine Übertragung von Rücklagen nach § 6b EStG bei einzelnen Gesellschaftern – unter anderem dem Kläger – nicht möglich sei, da der Rücklagenbildung eine Veräußerung zugrunde liege, die im Zeitraum nach dem 31. Dezember 1998 und vor dem 1. Januar 2002 stattgefunden habe und daher eine andere Gesetzesfassung gelte. Diese lasse nur rechtsträgerbezogene Reinvestitionen zu.
Der Kläger ist der Auffassung, die Änderungsbescheide seien bereits wegen Unbestimmtheit nichtig. Ein Änderungsbescheid müsse, um inhaltlich hinreichend bestimmt zu sein, grundsätzlich den geänderten Bescheid erkennen lassen. Der Steuerpflichtige müsse erkennen können, in welcher Hinsicht und in welchem Umfang eine bisherige Festsetzung oder Feststellung geändert worden sei. Ein Hinweis auf die Änderungsvorschrift reiche hierfür nicht aus. Fehle die Klarstellung des Verhältnisses zwischen zwei Steuerbescheiden, bestehe darin ein besonders schwerwiegender Mangel gemäß § 125 Abs. 1 Abgabenordnung (AO).
Die dagegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht München hatte keinen Erfolg (vgl. unseren Blogbeitrag).
Entscheidung des BFH
Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Der Ergänzungsbilanzgewinn, der mitunternehmerbezogen den laufenden Gesamthandsgewinn korrigiert, ist eine gesondert festzustellende und selbständig anfechtbare Besteuerungsgrundlage. Eine eigene Klagebefugnis des Mitunternehmers hiergegen besteht nach § 48 Abs. 1 Nr. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) aber nur dann, wenn dieser Gewinn allein aus den Mitunternehmer betreffenden Gründen streitig ist.
Die Möglichkeit der Rechtsverletzung als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Anfechtungsklage ist schon dann gegeben, wenn der Kläger geltend macht, der unmittelbar erstrebte steuerrechtliche Nachteil sei mit einem mittelbaren steuerrechtlichen Vorteil in einem anderen Verwaltungsakt steuerrechtlich verknüpft.
Es ist zweifelhaft, ob aus § 6b EStG eine Befugnis zu gestuften Verwaltungsverfahren bei rechtsträgerübergreifender Übertragung stiller Reserven abgeleitet werden kann.
In dem Besteuerungsverfahren für den reinvestierenden Betrieb ist nicht mit Bindungswirkung für das Besteuerungsverfahren des veräußernden Betriebs zu entscheiden, ob dort die Veräußerung eines Wirtschaftsguts erst nach dem 31. Dezember 2001 erfolgt und deshalb die gesellschafterbezogene Betrachtung des § 6b EStG anzuwenden ist.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 16. Dezember 2021 (IV R 7/19), veröffentlicht am 07. April 2022.