BFH hegt unionsrechtliche Zweifel am Aufteilungsgebot im Hotelgewerbe

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Beschluss entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit Unionsrecht vereinbar ist (Anschluss an den BFH-Beschluss vom 26.05.2021 - V R 22/20, BFHE 273, 351).

Hintergrund

Die Steuer beträgt gemäß § 12 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) für jeden steuerpflichtigen Umsatz 19 % der Bemessungsgrundlage (sog. Regelsteuersatz). Nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, sowie die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Dies gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind.

Sachverhalt

Streitig ist, ob Leistungen der Antragstellerin an ihre Hotelgäste als einheitliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 des UStG unterliegen.

Die Antragstellerin, eine GmbH, betreibt ein Hotel und Restaurant. In den Jahren 2014 bis 2017 (Streitjahre) erhielten alle Hotelgäste auch ein Frühstück sowie Zugang zur hoteleigenen Badelandschaft (Spa). Übernachtungen ohne Frühstück oder Zugang allein zum Spa bot die Antragstellerin nicht an.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass Übernachtung, Frühstück und Spa jeweils eigenständige Leistungen seien, von denen die Übernachtung einerseits dem ermäßigten und Frühstück sowie Spa anderseits dem allgemeinen Steuersatz in Höhe von 7 % bzw. 19 % zu unterwerfen seien.

Die Antragstellerin beantragte die Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht Nürnberg, da sie das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 18. Januar 2018, C-463/16 „Stadion Amsterdam“ für europarechtswidrig hält.

Der Antrag vor dem Finanzgericht Nürnberg hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH gab der Beschwerde zum Teil statt und setzte die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteueränderungsbescheids insoweit aus.

Das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, wurde vom erkennenden Senat bisher als unionsrechtskonform angesehen (vgl. BFH, Urteil vom 24. April 2013, XI R 3/11, BStBl. II 2014, 86, Rz 51, m.w.N.; offen lassend BFH-Urteil vom 13. Juni 2018, XI R 2/16, BStBl. II 2018, 678, Rz 24).

Es ist inzwischen jedoch fraglich, ob an dieser Rechtsprechung des Senats nach Ergehen des EuGH-Urteils Stadion Amsterdam festzuhalten ist.

Der EuGH hat im Urteil Stadion Amsterdam entschieden, dass eine einheitliche Leistung wie die im dortigen Ausgangsverfahren fragliche, die aus zwei separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gälten, nur zu dem für diese einheitliche Leistung geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern ist, der sich nach dem Hauptbestandteil richtet, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann (vgl. EuGH-Urteil Stadion Amsterdam, Rz 36).

Hieraus könnte für das gesetzliche Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG folgen, dass bei unselbständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung "Übernachtung" zu unterwerfen ist.

Die sich aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ergebende Rechtsfolge, dass die unselbständige Nebenleistung stets das Schicksal der Hauptleistung zu teilen hat, könnte insoweit das Aufteilungsgebot aus § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG verdrängen.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen nunmehr, nachdem der V. Senat des BFH durch den Beschluss vom 26. Mai 2021, V R 22/20 (unter dem Az. C-516/21 beim EuGH geführt, siehe unseren Blogbeitrag) den EuGH um Vorabentscheidung dazu ersucht hat, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG mit Unionsrecht vereinbar ist.

Außerdem ist es ungeklärt, ob den Grundsätzen zur Bestimmung eines einheitlichen Umsatzes Vorrang gegenüber Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL, wonach die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen steuerpflichtig ist, zukommt, oder aus Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL ein Aufteilungsgebot abzuleiten sein könnte, so dass einheitliche Umsätze in einen (nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken betreffend) steuerfreien und einen (nach Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen betreffend) steuerpflichtigen Teil aufzuspalten sind.

Die vom EuGH in diesem Vorabentscheidungsersuchen zur Klärung der Frage, ob bei einer einheitlichen Leistung die Hauptleistung einerseits steuerfrei und die Nebenleistung andererseits steuerpflichtig sein können, heranzuziehenden Grundsätze könnten auf die den Streitfall betreffende Frage, ob bei einer einheitlichen Leistung unterschiedliche Steuersätze nach dem im nationalen Recht angeordneten Aufteilungsgebot i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG möglich sind, zu übertragen sein.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 07. März 2022 (XI B 2/21 (AdV)), veröffentlicht am 19. Mai 2022.

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