EuGH: Ort der Einfuhr eines in einem Drittland zugelassenen Transportmittels

In Beantwortung eines Vorabentscheidungsersuchens des Finanzgerichts Hamburg hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass sich umsatzsteuerlich der Ort der Einfuhr eines in einem Drittstaat zugelassenen Fahrzeugs, das unter Verstoß gegen zollrechtliche Vorschriften in die EU verbracht wird, in dem Mitgliedstaat liegt, in dem derjenige, der den zollrechtlichen Pflichtverstoß begangen hat, ansässig ist und das Fahrzeug tatsächlich nutzt.

Hintergrund

Der in Deutschland ansässige Kläger mit georgischer Staatsangehörigkeit erwarb im Januar 2019 in Georgien ein in Georgien auf seinen Namen zugelassenes Fahrzeug. Im März 2019 fuhr er mit diesem Fahrzeug von Georgien über die Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn und Österreich nach Deutschland, ohne das Fahrzeug bei einer Einfuhrzollstelle anzumelden. Der Kläger benutzte das Fahrzeug, das am 28. März 2019 im Rahmen einer Kontrolle durch eine Kontrolleinheit des Hauptzollamtes auffiel, in Deutschland.

Zweifelhaft war für das Finanzgericht Hamburg die Frage, ob Deutschland auch für die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer zuständig ist. Dies wäre der Fall, wenn die Auslegung der Art. 30 und 60 MwStRL ergibt, dass der Ort der Einfuhr in Deutschland liegt, obwohl der Kläger das Fahrzeug vor der Ankunft in Deutschland durch mehrere Mitgliedstaaten hindurch gesteuert hat. Anderenfalls wäre eine entsprechende Anwendung der Zuständigkeitsfiktion gemäß Art. 87 Abs. 4 Unionszollkodex (UZK) zu erwägen. Dies war Gegenstand der zweiten Vorlagefrage. Mehr zum Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Hamburg finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 1. Oktober 2021.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH zieht zu seiner Urteilsfindung das Urteil vom 3. März 2021 in der Rechtssache C‑7/20, VS gegen Finanzamt Münster (zum Ort des Entstehens der Mehrwertsteuer) heran, wonach ein unter Verstoß gegen die Zollvorschriften eingeführter PKW als im Wohnsitzmitgliedsstaat des Steuerpflichtigen in den Wirtschaftskreislauf gelangt anzusehen ist, wenn das Fahrzeug in diesem Mitgliedstaat tatsächlich benutzt worden war, auch wenn es auf seiner Fahrt von einem Drittland in diesen Mitgliedstaat faktisch über einen anderen Mitgliedstaat in das Zollgebiet der Union gelangt war.

In Anbetracht dieser Erwägungen, so der EuGH, sei im Vorlagefall davon auszugehen, dass das Fahrzeug trotz seiner erstmaligen Benutzung in der EU in Bulgarien und des Umstands, dass es dort zum Zweck der Durchreise körperlich in das Gebiet der Union gelangt ist, in seinem Bestimmungsmitgliedstaat Deutschland tatsächlich benutzt wurde. Da das Fahrzeug in diesem Mitgliedstaat in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist, erfolgte seine Einfuhr folglich gemäß den Art. 30 und 60 der Richtlinie 2006/112 in eben diesem Mitgliedstaat.

Wie sich aus einem weiteren Urteil vom 10. Juli 2019 (Rechtssache C-26/18, Federal Express Corporation Deutsche Niederlassung) ergibt, kann ein Gegenstand trotz seiner faktischen Verbringung in einen Mitgliedstaat als im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats in den Wirtschaftskreislauf der Union eingetreten angesehen werden, wenn der Gegenstand in diesem Mitgliedstaat „zum Verbrauch bestimmt“ war. Letztlich führe hier der Transport durch die genannten Länder der EU nur dazu, das Fahrzeug in den Mitgliedstaat seiner endgültigen Bestimmung zu bringen, um es dort tatsächlich und dauerhaft zu nutzen. In diesem Zusammenhang kann der Wohnort des Nutzers als Anhaltspunkt für eine solche Nutzung dienen.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 8. September 2022 in der Rechtssache C-368/21, Hauptzollamt Hamburg

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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