Schlussanträge beim EuGH: Zur Reichweite und Grenzen der Stromsteuerbefreiung
Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens des Finanzgerichts Düsseldorf an den EuGH soll geklärt werden, ob elektrischer Strom, den RWE Power in seinen Tagebauen und Kraftwerken im Rahmen seiner Tätigkeit der Erzeugung von elektrischem Strom verwendet hat, von der Stromsteuer befreit ist. In seinen Schlussanträgen hat der Generalanwalt die zwei Vorlagefragen beantwortet und dem Gericht seine Empfehlungen unterbreitet.
Ausgangslage
Der Betrieb der Kraftwerke von RWE Power war auf eine ununterbrochene Stromerzeugung ausgelegt. Zur Sicherung der ununterbrochenen Stromerzeugung unterhielt RWE Power Braunkohlebunker, aus denen die Braunkohle nach und nach den Kesseln in den Kraftwerken zugeführt wurde. Die Braunkohle wurde zunächst im jeweiligen Tagebau in einem Bunker gelagert und von dort über eine Bandanlage oder über die betriebseigene elektrische Eisenbahn zu den Kraftwerksbunkern gebracht, die ein Fassungsvermögen für einen Betrieb von ein bis zwei Tagen hatten. Von dort verluden elektrisch betriebene Bekohlungsbagger die Braunkohle auf ein Bunkerband, über das die Braunkohle in Kohlezerkleinerungsanlagen gelangte. Die zerkleinerte Kohle wurde schließlich in die Kesselbunker eingelagert.
Im Zuge einer vom Hauptzollamt angeordneten Außenprüfung wurde festgestellt, dass die Aufbereitung der Braunkohle als „Herstellung eines Brennstoffs“ einzustufen und daher steuerpflichtig sei. Steuerpflichtig seien auch sämtliche der Förderung und dem Transport der Braunkohle dienenden Stromentnahmen, mit der weiteren Folge, dass auch die Verwendungen durch Einsatz von Bekohlungsbaggern, Bekohlungsbändern und Kohlemühlen steuerpflichtig seien. Das Hauptzollamt vertritt im Wesentlichen die Auffassung, dass der elektrische Strom, der zur Stromerzeugung entnommen werde, im Einklang mit Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/96 von der Stromsteuer befreit sei, wenn er in den Neben- und Hilfsanlagen einer Stromerzeugungseinheit zur Stromerzeugung im technischen Sinn verbraucht werde. Von der Stromsteuer befreit sei aber nur der elektrische Strom, der unmittelbar mit der Stromerzeugung zusammenhängt und hierfür erforderlich sei, etwa der Strom, der für die Einbringung des Brennstoffs von der Kohlemühle in den Brenner des Kessels verwendet werde. Der elektrische Strom, der in bestimmten Anlagen, mit denen Rohbraunkohle insbesondere durch Zerkleinern, Mahlen und Trocknen aufbereitet werde, nur mittelbar eingesetzt werde, sei hingegen nicht begünstigt.
Vorlagefragen
Das Finanzgericht Düsseldorf hat im Beschluss vom 6.09.2021 (4 K 3119/18 VSt) den EuGH zu zwei Fragen um Vorabentscheidung gebeten.
Frage 1 betrifft den elektrischen Strom, der für Vorgänge verwendet wird, die erfolgen, bevor die Braunkohle im Kesselbunker eingelagert und verstromt wird. Es soll mithin geklärt werden, ob die Befreiung auch Vorgänge umfasst, bei der Energieerzeugnisse im Tagebau gewonnen werden, in den Kraftwerken für den Einsatz in Kraftwerken geeigneter gemacht werden, wie Brechen, Abscheiden von Fremdteilen und ein Zerkleinern bis zu der im Kessel betriebsbedingt erforderlichen Größe
Frage 2 betrifft den elektrischen Strom, der für Vorgänge verwendet wird, mit denen eine ununterbrochene Stromerzeugung gewährleistet werden soll, insbesondere für die Beförderung der Braunkohle zu den Kraftwerken (mit elektrisch angetriebenen Zügen und in elektrisch betriebenen Bandanlagen) und die Lagerung.
Empfehlungen des Generalanwalts (GA)
Zu Frage 1: Der GA schlägt dem Gericht vor zu entscheiden, dass die Steuerbefreiung, soweit sie den „bei der Stromerzeugung verwendeten elektrischen Strom“ betrifft, dahin auszulegen ist, dass sie nur für den elektrischen Strom gilt, der für Vorgänge verwendet wird, die für den Prozess der Stromerzeugung unentbehrlich sind und hierzu unmittelbar beitragen – d. h. nicht für den elektrischen Strom, der für den Vorgang der Förderung von Energieerzeugnissen verwendet wird, wohl aber für denjenigen, der für Vorgänge verwendet wird, die in demselben Betrieb oder zumindest in einer Neben- oder Hilfsanlage erfolgen und ausschließlich der im Anschluss an die Förderung erfolgenden Umwandlung und Aufbereitung des Energieerzeugnisses zum Zwecke der Verwendung in einem Kraftwerk dienen.
Zu Frage 2: Nach Ansicht des GA dürften sowohl die Vorgänge der Lagerung als auch die Vorgänge der Beförderung dazu gedient haben, eine ununterbrochene Stromerzeugung und die Aufrechterhaltung der Fähigkeit, ununterbrochen elektrischen Strom zu erzeugen, zu gewährleisten. Wenn der Ausdruck „elektrischer Strom, der zur Aufrechterhaltung der Fähigkeit, elektrischen Strom zu erzeugen, verwendet wird“, einen Sinn haben soll, müsse die in Rede stehende Steuerbefreiung für diese Vorgänge gelten.
Dazu weitere Anmerkungen des GA: Der Betrieb der Kraftwerke von RWE Power war im vorliegenden Fall erkennbar auf eine ununterbrochene Stromerzeugung ausgelegt. Es ist unstreitig, dass RWE Power zur Sicherung der ununterbrochenen Stromerzeugung Bunker in drei unterschiedlichen Größen und mit drei unterschiedlichen Funktionen unterhielt, aus denen die Braunkohle nach und nach den Kesseln in den Kraftwerken zugeführt wurde. Die Braunkohle wurde zunächst im jeweiligen Tagebau in einem Bunker mit einem Fassungsvermögen für einen Betrieb von bis zu sechs Tagen gelagert und dann zu den Bunkern der Kraftwerke gebracht, die ein Fassungsvermögen für einen Betrieb von ein bis zwei Tagen hatten.
Fundstelle
EuGH, Schlussanträge vom 13. Oktober 2022 in der Rechtssache C‑571/21, RWE Power