Unechte Realteilung bei der Übertragung eigener Aktien
Das Hessische Finanzgericht hat in zwei im Wesentlichen inhaltsgleichen Urteilen entschieden, dass die Realteilungsgrundsätze auch dann Anwendung finden, wenn im Zuge des Ausscheidens eines Mitunternehmers Aktien als Sachwertabfindung übertragen werden und diese durch die Übertragung zu eigenen Aktien des ausscheidenden Mitunternehmers werden. Beide Urteile betreffen denselben Fall, 8 K 589/20 den GewSt-Messbescheid, 8 K 590/20 den Gewinnfeststellungsbescheid.
Sachverhalt
Die gewerblich geprägte A-GmbH & Co. KG (Klägerin) war an der B-AG beteiligt. Die B-AG war zugleich einer der Kommanditisten der KG, deren Gesellschaftszweck allein der Erwerb und die Verwaltung von Aktien an der B-AG ist. Die quotale Beteiligung am Vermögen der Klägerin bestimmt sich nach der Anzahl der eingebrachten Aktien der B-AG (fiktive Stückaktien).
Im gleichen Jahr kündigte die B-AG die Beteiligung an der Klägerin und schied gegen Sachabfindung in Form von eigenen Stückaktien sowie gegen Barabfindung als Kommanditistin aus der Klägerin aus. Später zog sie die Aktien ein.
Das Finanzamt verneinte eine Realteilung, weil die B-AG eigene Anteile erhalten habe, die keine Wirtschaftsgüter seien und ermittelte einen Aufgabegewinn.
Richterliche Entscheidung
Das Hessische Finanzgericht hat entschieden, dass das Ausscheiden der B-AG aus der Klägerin gegen Rückgewähr der eingebrachten Stückaktien die Voraussetzungen einer unechten Realteilung i S. d. § 16 Abs. 3 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) erfülle, sodass die Möglichkeit der Übertragung zu Buchwerten eröffnet war.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung stellte das Gericht fest, dass es sich bei den übertragenen Stückaktien um übertragungsfähige Wirtschaftsgüter handeln. Zwar ist seit dem Inkrafttreten des BilMoG die Aktivierung eigener Anteile nicht mehr möglich, da sie nach § 272 Abs. 1a und 1b HGB auf der Passivseite vom gezeichneten Kapital abzuziehen sind. Dies ändert laut Auffassung großer Teile der Literatur und des Gerichts aber nichts an der schon vor dem Inkrafttreten des BilMoG bestehenden Eigenschaft eigener Anteile als Wirtschaftsgut. Die Regelungsabsicht des Gesetzgebers zum § 272 Abs. 1a und 1b HGB sei insoweit allein auf den bilanziellen Ausweis gerichtet gewesen, nicht aber auf eine Änderung des Begriffs „Vermögensgegenstand".
Die Eigenschaft als Wirtschaftsgut haben die Aktien auch nicht dadurch verloren, dass sie durch die Übertragung auf die B-AG zu eigenen Aktien geworden sind, sodass die (eigenen) Aktien steuerrechtlich als Wirtschaftsgüter qualifizieren sind (Rz. 41 ff.)
Das Gericht stellte des Weiteren auch keinen Verstoß gegen die Sperrfrist nach § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG fest, da die Einziehung weder eine Veräußerung noch eine Entnahme darstelle (Rz. 65 ff.). Die stillen Reserven sind auch nicht nach § 16 Abs. 3 Satz 4 EStG (Ansatz des gemeinen Wertes bei Übertragung auf eine Körperschaft) aufzudecken, da die B-AG bereits mittelbar über ihren Kommanditanteil an der Klägerin an den Aktien beteiligt gewesen ist. Deshalb sei eine teleologische Reduktion geboten (Rz. 69 ff.).
Fundstelle
Hessisches Finanzgericht, Urteile vom 31. März 2022 (8 K 589/20 und 8 K 590/20, im Wesentlichen inhaltsgleich); die Revision ist beim BFH unter den IV R 15/22 und IV R 16/22 anhängig.