Berücksichtigung von Umwandlungsverlusten
Das Niedersächsische Finanzgericht hat entschieden, dass ein Antrag auf Buchwertfortführung nach § 3 Abs. 2 UmwStG auch konkludent gestellt werden kann. Darüber hinaus hat das Gericht zu der im Schrifttum umstrittenen Rechtsfrage Stellung genommen, dass die Abgabe einer Schlussbilanz/Übertragungsbilanz für die Wirksamkeit des Antrags nach § 3 Abs. 2 UmwStG keine zwingende Voraussetzung ist.
Sachverhalt
Die Kläger (GmbHs) wandelten eine GmbH durch notariellen Beschluss vom 25. August 2010 rückwirkend zum 30. Dezember 2009, 24.00 Uhr (steuerlicher Übertragungsstichtag) in eine GmbH & Co. KG um (Formwechsel). Der Umwandlungsbeschluss enthielt unter dem Punkt „steuerliche Regelungen“ folgenden Passus: „Von dem Antragsrecht der Übertragung zu Buchwerten wird hiermit ausdrücklich Gebrauch gemacht“. Weiter hieß es dort, dass die Übertragung auf Grundlage der erstellten Übertragungsbilanz vom 30. Dezember 2009 zu Buchwerten erfolge. Der Beschluss ist vom beurkundenden Notar an das Finanzamt übersandt worden. Die formzuwechselnde GmbH reichte beim Finanzamt eine Steuerbilanz auf den 31. Dezember 2009 unter entsprechendem Ansatz der Buchwerte ein. Die aus dem Formwechsel hervorgegangene GmbH & Co. KG führte die Buchwerte in ihrer Eröffnungsbilanz auf den 31. Dezember 2009 fort. Eine steuerliche Schlussbilanz bzw. Übertragungsbilanz auf den 30. Dezember 2009 wurde beim Finanzamt nicht eingereicht. Gleiches gilt für einen ausdrücklich gestellten Antrag auf Buchwertfortführung.
Für die Jahre 2010-2011 begehrte die GmbH & Co. KG die Feststellung von Verlusten, welche auf Abschreibungen der aus dem Formwechsel resultierenden Aktivierung des Kundenstamms basieren sollten. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde die Aktivierung des Kundenstamms mit Verweis auf den erfolgten Buchwertansatz verneint. Der Prüfer und das seiner Auffassung folgende (beklagte) Finanzamt stellte für das Streitjahr 2009 im Ergebnis einen Übernahmeverlust aus dem Formwechsel fest, welcher gemäß § 4 Abs. 6 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) außer Ansatz blieb.
Einfach-rechtlich war streitig, ob der im o.g. Formwechselbeschluss enthaltene Passus als Antrag auf Buchwertfortführung i.S.d. § 9 Satz 1 i.V.m. 3 Abs. 2 UmwStG auszulegen ist und ob daneben eine steuerliche Schluss- bzw. Übertragungsbilanz auf den steuerlichen Übertragungsstichtag aufgestellt werden muss. Verfassungsrechtlich streitig war, ob die Regelung des § 4 Abs. 6 Satz 4 UmwStG verfassungswidrig ist und ein Übernahmeverlust auch bei Kapitalgesellschaften als Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft abzugsfähig sein muss.
Richterliche Entscheidung
Das Niedersächsische Finanzgericht ist der Ansicht der Kläger nicht gefolgt und hat entschieden, dass ein entsprechender Passus im notariellen Umwandlungsbeschluss nicht nur eine zivilrechtliche Vereinbarung zwischen den am Umwandlungsvorgang Beteiligten darstellt, sondern als konkludenter Buchwertantrag gem. § 3 Abs. 2 UmwStG angesehen werden kann.
Das machte das Gericht im Kern daran fest, dass die Beteiligten an der formwechselnden Umwandlung gegenüber dem Finanzamt den Antrag auf Übertragung zu Buchwerten mit Aufnahme einer Regelung in dem Beschluss über die Umwandlung stellen wollten und die Formulierung bei verständiger Würdigung nicht anders verstanden werden kann. Dafür spricht insbesondere der Umstand, dass der Passus unter dem Abschnitt „steuerliche Regelungen“ des Umwandlungsbeschluss gefasst worden ist (Rn. 71 ff.).
Hinsichtlich der Notwendigkeit der Abgabe einer steuerlichen Schlussbilanz bzw. Übertragungsbilanz vertritt das Gericht unter Auslegung des Wortlauts des § 3 Abs. 2 UmwStG die Auffassung, dass der Buchwertansatz nur von einem (konkludent) gestellten Antrag abhängt; für weitere Voraussetzungen (hier: die zusätzliche Abgabe einer steuerlichen Schlussbilanz/Übertragungsbilanz) bietet der Wortlaut keinen Raum. Die Rechtsprechung des BFH zu § 3 Satz 1 UmwStG 1995 (BFH vom 20. August 2015, IV R 34/12, BFH/NV 2016, 41; vom 28. Mai 2008, I R 98/06, BStBl. II 2008, 916), wonach der Buchwertansatz durch Abgabe einer entsprechenden Schlussbilanz zu erklären war, kann nicht auf das aktuelle Recht übertragen werden (Rn. 76 ff.).
Im Übrigen geht das Finanzgericht – anders als die Klägerin – davon aus, dass eine steuerliche Schlussbilanz auf den 30. Dezember 2009 vorlag. Das Gericht ist der Auffassung, dass das Datum der Steuerbilanz auf den 31. Dezember 2009 (ohne materielle Bedeutung) falsch bezeichnet wurde. Die GmbH war am 31. Dezember 2009 bereits untergegangen und zu diesem Stichtag konnte sie keine Schlussbilanz mehr aufstellen. Die Bilanz auf den 31. Dezember 2009 ist somit bei verständiger Würdigung der Umstände und aus Sicht des Finanzamtes als Empfänger als eine Bilanz auf den 30. Dezember 2009 zu verstehen (Rn. 81 ff.).
Das Gericht hält die Regelung des § 4 Abs. 6 Satz 4 UmwStG für verfassungsgemäß (Rn. 91 ff.) und schließt sich zur Begründung der Rechtsprechung des BFH zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Norm an (vgl. z.B. BFH vom 5. November 2015, III R 13/13).
Fundstelle
Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Februar 2022 (7 K 11215/18), siehe den Newsletter 1/2023 des Finanzgerichts; die Revision ist beim BFH unter dem Az. IV R 8/22 anhängig.