Update: EuGH: Unterschiedliche Fondsbesteuerung nach dem InvStG 2004 nicht mit Unionsrecht vereinbar

Durch die in den Streitjahren 2008 bis 2010 bestehende deutsche Regelung werden gebietsansässige und gebietsfremde Spezialimmobilienfonds in Bezug auf die für sie geltenden Besteuerungsvorschriften unterschiedlich behandelt, was für gebietsfremde Spezialimmobilienfonds nachteilig ist. Insofern liegt grundsätzlich eine - aus Sicht des Europäischen Gerichtshofs - nicht zu rechtfertigende Beschränkung des freien Kapitalverkehrs vor.

Hintergrund und Ausgangslage

Bei dem vom BFH initiierten Vorabentscheidungsersuchen geht es um die Frage, ob der Kläger (ein nach Luxemburger Recht errichteter geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform eines fonds commun de placement) ein Körperschaftsteuersubjekt und damit beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist, und bejahendenfalls, ob der Kläger entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG (in der Fassung 2004) von der KSt-Pflicht befreit ist.

Der BFH hält die in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 enthaltene Steuerbefreiung vorliegend nicht für einschlägig. Danach ist nur der inländische Investmentfonds als Sondervermögen von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit. Der Kläger ist aber nach der Definition des Investmentsteuergesetzes ein ausländischer Fonds. Zweifel bestehen, ob der Ausschluss des Klägers von der Steuerbefreiung bzw. die im Hinblick auf vergleichbare inländische Fonds unterschiedliche Behandlung mit dem Unionsrecht (Grundsätze der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV) vereinbar ist.

Mehr zum Vorabentscheidungsersuchen I R 33/17 des BFH lesen Sie in unserem Blogbeitrag vom 16. November 2020.

Entscheidung des EuGH

Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach denen gebietsfremde Spezialimmobilienfonds für Immobilieneinkünfte, die sie auf dem Staatsgebiet dieses Mitgliedstaats beziehen, teilweise körperschaftsteuerpflichtig sind, gebietsansässige Spezialimmobilienfonds hingegen von dieser Steuer befreit sind.

Die vorliegend bestehende Ungleichbehandlung stellt nur dann keine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit dar, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Für den EuGH waren solche Rechtfertigungsgründe jedoch hier nicht ersichtlich.

Vergleichbarkeit der Sachverhalte: In Anbetracht der Ziele der in Rede stehenden deutschen Rechtsvorschriften und des in diesen Vorschriften festgelegten Unterscheidungskriteriums befinden sich die gebietsansässigen und die gebietsfremden Fonds in einer vergleichbaren Situation (Rz. 54 – 65 des Urteils), u. a. im Hinblick auf das vom Transparenzprinzip verfolgte Ziel, nämlich eine Gleichbehandlung zwischen Direktinvestitionen und über einen Investmentfonds getätigten Investitionen sicherzustellen. Auch könne das Ziel, die Besteuerung vom Fonds auf den Anleger zu verlagern, auch bei gebietsfremden Fonds erreicht werden, indem die in § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2004 vorgesehene Befreiung von der Besteuerung der Anleger dieser Fonds abhängig gemacht wird.

Keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses: Die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs kann auch nicht durch die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren, gerechtfertigt werden (Rz. 68 – 75). Hierzu stellt der EuGH fest, dass im Fall der gebietsansässigen Anleger eines gebietsfremden Spezialimmobilienfonds die Besteuerung dieses Fonds zu einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung dieser Einkünfte führt, da diese erstens bei diesem Fonds und zweitens beim gebietsansässigen Anleger besteuert werden. Denn die Beseitigung dieser Doppelbesteuerung könne nicht immer erreicht werden, was dem Ziel, das mit den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften verfolgt wird, gerade zuwiderläuft.

Hier sei es noch Sache des vorlegenden Gerichts zu ermitteln, ob die direkte Zurechnung der Immobilieneinkünfte an die gebietsfremden Anleger und die Besteuerung der gebietsansässigen Anleger der gebietsansässigen Fonds die diesen Fonds gewährte Befreiung ausgleicht. Es muss insbesondere überprüfen, ob solche Anleger systematisch besteuert werden und nicht von dieser Steuer befreit werden können (Rz. 71 + 72).

Auch die Rechtfertigung im Hinblick auf die Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten greift nach Dafürhalten des EuGH nicht durch. Wenn ein Mitgliedstaat sich dafür entscheidet, die inländischen Einkünfte gebietsansässiger Fonds nicht zu besteuern, kann er sich nicht auf die Notwendigkeit einer ausgewogenen Aufteilung der Steuerhoheit zwischen den Mitgliedstaaten berufen, um die Besteuerung gebietsfremder Fonds, die derartige Einkünfte haben, zu rechtfertigen.

Update (23. Juni 2023)

Nach dem EuGH-Urteil L Fund wird das Verfahren beim BFH unter dem neuen Az. I R 23/23 fortgesetzt.

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 27. April 2023 (C‑537/20), L Fund

Eine englische Zusammenfassung des Urteils finden Sie hier.

Zum Anfang