Verhältnis von § 1 AStG zur verdeckten Gewinnausschüttung und Behandlung im Rahmen einer Organschaft

Das Finanzgericht Hamburg hat in einem aktuellen Urteil die Auffassung des BFH in seiner Entscheidung vom 27. November 2019, I R 40/19 bestätigt und entschieden, dass eine Korrektur nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG dann durchzuführen ist, wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen führt, als die anderen (auf den Sachverhalt anwendbaren) Vorschriften, wie etwa die Korrektur einer verdeckten Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 3 KStG.

Sachverhalt

Die Klägerin war in den Streitjahren 2012 bis 2015 eine inländische Holdinggesellschaft in Form einer GmbH. Sie hatte mehrere Tochtergesellschaften, an denen sie jeweils zu 100 % beteiligt war. Dazu gehörte die deutsche A GmbH, mit der in den Streitjahren eine Organschaft auf Grund eines Ergebnisabführungsvertrags bestand, mit der Klägerin als Organträgerin und der A GmbH als Organgesellschaft. Daneben war die Klägerin jeweils zu 100 % an der singapurischen B Ltd. und der amerikanischen C beteiligt. Die B war wiederum zu 100 % an zwei chinesischen Enkel-Kapitalgesellschaften in X und Y (nachfolgend: B-X und B-Y) beteiligt. Die C war zu 100 % an der D Inc. beteiligt.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der A-GmbH für die Streitjahre 2012 bis 2015 stellte das Finanzamt folgende grenzüberschreitende Sachverhalte fest, die im Ergebnis bei der Klägerin zu einer Gewinnerhöhung geführt haben:

  1. Lizenzaufteilung zwischen der A-GmbH und D Inc.: Die A-GmbH und die D Inc. erhielten als Lizenzgeber von der B-X jeweils Lizenzgebühren i.H.v. 4% des jeweils geförderten Umsatzes. Angesichts des unstreitig höheren Leistungsumfangs der A-GmbH wurden von den 4% der D Inc. 0,25% als fremdübliches Lizenzentgelt behandelt und der A-GmbH als vGA gem. § 8 Abs. 3 KStG außerbilanziell zugerechnet (Rn. 4).
  1. Tech-Center der A-GmbH: Im Rahmen desTech-Centers erbrachte die A-GmbH Dienstleistungen gegenüber den anderen Konzerngesellschaften. Der Leistungsanteil, der auf die B-X entfiel, wurde nicht an die A-GmbH erstattet. I.R.d. Betriebsprüfung wurde das Einkommen der A-GmbH insoweit außerbilanziell in der Annahme einer vGA gem. § 8 Abs. 3 KStG erhöht (Rn. 5).

Im Rahmen einer Außenprüfung bei der Klägerin für die Streitjahre 2012 bis 2015 kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die auf Ebene der A-GmbH aus obigen Sachverhalten festgestellten vGA aufgrund der Organschaft zur Klägerin vorweggenommene Gewinnabführungen der A-GmbH darstellten. Die Vorteile aus den vGA seien jedoch nicht der Klägerin, sondern deren Enkelgesellschaften zugeflossen, weshalb es auf Ebene der Klägerin zu einem Vorteilsverbrauch gekommen sei. Dieser fiktive Aufwand führe bei der Klägerin zu einer Neutralisierung der zuzurechnenden vGA. Das Einkommen der Klägerin sei nach Auffassung des Finanzamts aber um die Beträge der vGA gem. § 1 AStG außerbilanziell zu erhöhen (Rn. 9).

Hierzu stützte sich das Finanzamt auf das BFH-Urteil vom 27. November 2019, I R 40/19 (siehe unseren Blogbeitrag), in dem der BFH entschieden habe, dass die Korrektur nach § 1 AStG nicht hinter die Gewinnzurechnung aufgrund einer vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) zurücktritt. Vielmehr überlagerten sich beide Korrekturvorschriften, wodurch sich eine Gewinnkorrektur nach der einen Vorschrift erübrige, wenn sie bereits nach der anderen Vorschrift vollzogen wurde. Weichen die Rechtsfolgen nicht voneinander ab, so könne der Steuerpflichtige wählen, welche der beiden Korrekturvorschriften vorrangig geprüft werden soll. Bei abweichenden Rechtsfolgen soll diejenige Vorschrift mit der fiskalisch größeren Belastung für den Steuerpflichtigen greifen. Die Finanzverwaltung hat sich diesen Grundsätzen des BFH-Urteils I R 40/19 im BMF-Schreiben vom 14. Juli 2021 angeschlossen und erläutert darin in Rz. 1.3., dass, sofern sich Korrektur und Gegenkorrektur (Vorteilsverbrauch) im Inland kompensieren, § 1 AStG anzuwenden ist und die Anwendung der anderen Korrekturnormen – auch auf Gesellschafterebene – suspendiert wird (Rn. 16).

Die Klägerin vertrat demgegenüber die Auffassung, dass eine außerbilanzielle Hinzurechnung der vGA nach § 1 AStG bei ihr nicht in Betracht komme, da nicht sie (die Klägerin), sondern lediglich die A-GmbH die Geschäftsbeziehungen mit den ausländischen Gesellschaften gehabt habe (Rn. 12). Die auf Ebene der A-GmbH festgestellten vGA seien auch bei ihr als solche zu behandeln. Zudem liege auf Ebene der Klägerin ein Vorteils- /Aufwandsverbrauch vor, der als abzugsfähige Betriebsausgabe außerbilanziell zu berücksichtigen sei, weshalb die Anwendung des § 1 AStG auf Ebene der Klägerin auszuschließen sei (Rn. 11).

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht Hamburg hat entschieden, dass das Finanzamt zu Recht das Einkommen der Klägerin in den Streitjahren 2012 bis 2015 gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG um die vGA außerbilanziell erhöht hat (Rn. 34 ff.).

Zum einen bestand zwischen der Klägerin und der A-GmbH in den Streitjahren 2012 bis 2015 unstreitig eine körperschaftsteuerliche Organschaft, sodass das Einkommen der A-GmbH als Organgesellschaft der Klägerin als Organträgerin nach § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 KStG zuzurechnen ist (Rn. 35).

Zum anderen liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG dem Grunde und der Höhe nach vor (Rn. 39 ff.). Entgegen der Auffassung der Klägerin wird die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht durch das gleichzeitige Vorliegen einer vGA verdrängt (Rn. 42).

Der Senat vertritt die Auffassung, dass eine Korrektur nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG dann durchzuführen ist, wenn die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes zu weitergehenden Berichtigungen führt, als die anderen Vorschriften, wie etwa eine vGA (Rn. 48). Auf Ebene der Klägerin führt die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG zwar zu einer Einkommenserhöhung, die Anwendung einer vGA erhöht das Einkommen im Ergebnis jedoch nicht: Zwar würde die Anwendung von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf Ebene der A-GmbH zunächst ebenfalls zu einer Einkommenserhöhung führen, die der Klägerin als Organträgerin gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 KStG zugerechnet würde.

Da es sich bei den Vorteilen der B-X (zu niedrige Lizenzgebühren und keine Entgelte für die Entgegennahme von Dienstleistungen des Tech-Centers der A-GmbH) jedoch um steuerrechtlich nicht einlagefähige Wirtschaftsgüter handelt und somit "verbraucht" werden, würde hierdurch zugleich das Einkommen der Klägerin in gleicher Höhe gemindert werden. Dies hätte zur Folge, dass die zusätzlichen Lizenzgebühren und die Entgelte für die Dienstleistungen im Ergebnis auf Ebene der Klägerin nicht erfasst würden (Rn. 50).

Aufgrund der ertragsteuerlichen Organschaft, wodurch das Einkommen der A-GmbH aufgrund der Zurechnung zur Klägerin im Ergebnis erst bei ihr besteuert wird, seien dem Senat zufolge die Auswirkungen auf Ebene der Klägerin als Organträgerin einzubeziehen (Rn. 51 ff.).

Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Fundstelle

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 24. März 2023 (6 K 241/21); die Revision wurde zugelassen, über die Einlegung ist noch nichts bekannt.

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