Update: BMF veröffentlicht Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung (sog. Pillar 2)
Am Montag, den 10. Juli 2023, hat das BMF den Referentenentwurf eines Gesetzes für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union (sog. Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG) an die Verbände mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 21. Juli 2023 versendet.
Nach der Verabschiedung der Richtlinie zur Umsetzung einer globalen Mindestbesteuerung durch den Rat der EU am 15. Dezember 2022 (vgl. Newsflash vom 16. Dezember 2022) wurde am 20. März 2023 ein Diskussionsentwurf zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht durch das BMF veröffentlicht (vgl. Newsflash vom 20. März 2023). Nachdem umfangreiche Eingaben seitens der Verbände eingegangen sind und zudem die OECD ihre sog. Administrative Guidances erst nach verwaltungsinterner Finalisierung des Diskussionsentwurfs veröffentlicht hat, nimmt der am 10. Juli an die Verbände verschickte Referentenentwurf mit Datum vom 7. Juli 2023 diese nun mit auf.
Der Referentenentwurf für ein MinBestRL-UmsG besteht nunmehr aus 95 Paragrafen (statt 89 Paragrafen im Diskussionsentwurf). Daneben finden sich begleitende Änderungen in AO und FVG.
Im EStG und im AStG werden zudem mit der Aufhebung der Lizenzschranke sowie mit der Absenkung der Niedrigsteuergrenze und der Abschaffung der Gewerbesteuerpflicht des Hinzurechnungsbetrags einige bedeutende Anpassungen vorgeschlagen.
Wesentliche Neuerungen im Referentenentwurf im Vergleich zum Diskussionsentwurf
i) Ausgleichsansprüche in einer Mindeststeuergruppe
Die erste Neuerung steht im Zusammenhang mit der Mindeststeuergruppe in § 3 MinStG-E. Da die Vorschrift u.a. dazu führt, dass Mindeststeuerschulden nach dem MinStG beim deutschen Gruppenträger konzentriert und damit andere deutsche Gruppengesellschaften von ihrer Mindeststeuerschuld befreit werden, schafft Abs. 6 nun eine gesetzliche Grundlage für entstehende Ausgleichsansprüche der die Mindeststeuerschuld zahlenden Geschäftseinheit gegenüber den deutschen Gruppengesellschaften, deren Ergänzungssteuerbeträge ihr zugerechnet wurden. Umgekehrt müssen Steuererstattungen vom Gruppenträger entsprechend an die anderen deutschen Geschäftseinheiten weitergegeben werden. Die Ausgleichsansprüche erhöhen oder mindern das Einkommen nach EStG oder KStG nicht.
ii) Ausgangsgröße zur Ermittlung des Mindeststeuergewinns oder -verlusts
In § 15 Abs. 1 Satz 1 MinStG-E wird der Begriff des Mindeststeuerjahresüberschusses bzw. -fehlbetrags eingeführt (bisher Jahresüberschuss II oder Jahresfehlbetrag II).
Der Mindeststeuerjahresüberschuss bzw. -fehlbetrag ist der für Konsolidierungszwecke aus den Rechnungslegungsdaten der jeweiligen Geschäftseinheit abgeleitete und an konzerneinheitliche Ansatz- und Bewertungsregeln angeglichene Jahresüberschuss oder Jahresfehlbetrag vor Konsolidierungsanpassungen und Zwischenergebniseliminierungen. Die Definition stammt aus der bisherigen Definition der Handelsbilanz II (§ 7 Abs. 10 MinStG idFd Diskussionsentwurfs), welche dafür nicht mehr enthalten ist.
iii) Steuerpflicht von Portfoliodividenden (§ 35 MinStG-E)
Auf Antrag sind Portfoliodividenden aus Langzeitbeteiligungen (Beteiligungshöhe < 10%, Beteiligungsdauer > 12 Monate) abweichend von § 19 Abs. 1 Nr. 2 MinStG-E bei der Berechnung des Mindeststeuergewinns oder -verlusts nicht zu kürzen. Das Wahlrecht kann pro Geschäftseinheit ausgeübt werden. Wird das Wahlrecht ausgeübt, gilt es für fünf Jahre und einheitlich für alle Beteiligungen einer Geschäftseinheit.
iv) Steuerpflicht von Gewinnen oder Verlusten bei Eigenkapitalbeteiligungen (§ 36 MinStG-E)
Auf Antrag sind bestimmte Gewinne und Verluste aus Eigenkapitalbeteiligungen abweichend von § 20 MinStG-E bei der Berechnung des Mindeststeuergewinns oder -verlusts nicht zu kürzen.
Das Wahlrecht kann nur für Gewinne und Verluste aus Schachtelbeteiligungen (Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft von mindestens 10%) ausgeübt werden, die
- ohne Ausübung des Wahlrechts nach § 20 MinStG-E ausgenommen wären;
- steuerpflichtig und nicht von der Besteuerung ausgenommen sind.
Gewinne oder Verluste aus der Änderung des beizulegenden Zeitwerts sind auch dann zu berücksichtigen, wenn nur die Veräußerung der Beteiligung der Besteuerung unterliegt und nur latente Steuern hinsichtlich der Änderung des beizulegenden Zeitwerts zu erfassen sind.
Das Wahlrecht gilt für fünf Jahre und ist für alle (!) Geschäftseinheiten eines Steuerhoheitsgebiets gehaltene Schachtelbeteiligungen einheitlich auszuüben.
Ein Widerruf des Wahlrechts ist für solche Eigenkapitalbeteiligungen nicht möglich, bei denen es aufgrund der Wahlrechtsausübung zu einer Verlustberücksichtigung gekommen ist.
v) Absicherung von Währungsrisiken („Hedging“) bei Schachtelbeteiligungen (§ 37 MinStG-E)
Bestimmte sog. qualifizierte Währungsgewinne oder -verluste einer Geschäftseinheit können gem. § 37 Abs. 1 MinStG-E auf Antrag der berichtspflichtigen Geschäftseinheit von der Berechnung des Mindeststeuergewinns oder -verlusts ausgenommen werden.
„Qualifiziert“ sind Gewinne bzw. Verluste, soweit diese
- der Absicherung von Währungsrisiken in Schachtelbeteiligungen iSv § 19 Abs. 1 Nr. 1 MinStG-E dienen, die von der oder einer anderen Geschäftseinheit gehalten werden,
- im Konzernabschluss im sog. sonstigen Ergebnis (other comprehensive income, „OCI“) erfasst sind und
- ein Sicherungsinstrument betreffen, das nach einem zugelassenen Rechnungslegungsstandard, der bei der Erstellung des Konzernabschlusses verwandt wird, als effektive Nettoinvestition in einen Geschäftsbetrieb zu beurteilen ist.
Das Wahlrecht gilt für fünf Jahre und ist pro Geschäftseinheit einheitlich auszuüben.
vi) Qualifizierte Sanierungserträge (§ 38 MinStG-E)
Bestimmte qualifizierte Sanierungserträge sind gemäß § 38 Abs. 1 MinStG-E auf Antrag der berichtspflichtigen Geschäftseinheit aus der Berechnung des Mindeststeuergewinns-Gewinns oder -Verlusts auszunehmen.
Sanierungserträge sind Erträge aus einem Schuldenerlass, sofern einer der in § 38 Abs. 2 MinStG-E definierten Sachverhalte gegeben ist:
1. Zum Erlasszeitpunkt wurde über das Vermögen der Geschäftseinheit ein an die eingetretene Zahlungsunfähigkeit anknüpfendes Insolvenzverfahren eröffnet, das der Kontrolle eines Gerichts oder eines anderen unabhängigen Justizorgans unterliegt oder es wurde ein vom Schuldner unabhängiger Insolvenzverwalter bestellt;
2. Die Geschäftseinheit wird unter alleiniger Berücksichtigung von Verbindlichkeiten gegenüber nicht mit der Geschäftseinheit im Sinne des Art. 5 Abs. 8 OECD-MA verbundenen Gläubigern (sog. Drittgläubiger) ohne den Erlass dieser Verbindlichkeiten innerhalb von zwölf Monaten zahlungsunfähig und es liegt hierzu eine begründete Prognose eines unabhängigen Experten vor; oder
3. Es liegt kein Fall der Nummern 1 oder 2 vol und die Verbindlichkeiten der Geschäftseinheit übersteigen unmittelbar vor dem Zeitpunkt des Schuldenerlasses den Zeitwert ihrer Vermögenswerte (Überschuldungsbetrag).
„Qualifiziert“ sind diese Erträge gem. § 38 Abs. 3 MinStG-E
- im Fall des Abs. 2 Nr. 1 immer,
- im Fall des Abs. 2 Nr. 2 dann, wenn diese im Zusammenhang mit Drittgläubigern stehen sowie Sanierungserträge im Zusammenhang mit iSv Art. 5 Abs. 8 OECD-MA verbundenen Gläubigern, soweit deren Sanierungsbeträge als Teil einer einheitlichen Sanierungsbemühung mit Drittgläubigern angesehen werden können,
- im Fall des Abs. 2 Nr. 3 sämtliche Sanierungserträge im Zusammenhang mit Drittgläubigern, höchstens jedoch der kleinere der beiden folgenden Beträge:
i) der Überschuldungsbetrag oder
ii) der Gesamtbetrag, der nach den steuerrechtlichen Bestimmungen des Belegenheitsstaats der Geschäftseinheit sanierungsbedingt untergehenden nationalen Steuerattributen.ist.
vii) Steuerattribute des Übergangsjahrs
In § 78 Abs. 3 MinStG-E (bisher § 73 Abs. 3 MinStG-E) wurden diverse Ergänzungen vorgenommen. Zum einen wurde ergänzt, dass von dieser Regel alle Übertragungen erfasst sind, die als mit einer Übertragung von Vermögenswerten vergleichbar angesehen werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich der Buchwert eines Vermögenswertes aufgrund des Geschäftsvorfalles erhöht.
Zum anderen wurde klargestellt, dass die aktiven und passiven latenten Steuern des Übergangsjahrs unter Außerachtlassung der aktiven und passiven latenten Steuern, die aus Übertragungen von Vermögenswerten zwischen Geschäftseinheiten im Übergangszeitraum entstehen, zu ermitteln sind.
Falls die übertragende Geschäftseinheit hingegen auf den Veräußerungsgewinn erfasste Steuern gezahlt hat, kann davon abweichend auf Antrag der berichtspflichtigen Geschäftseinheit entweder
- ein latenter Steueranspruch auf Grundlage der von der veräußernden Geschäftseinheit auf den Veräußerungsgewinn gezahlten erfassten Steuern berücksichtigt werden oder
- die erwerbende Geschäftseinheit ihren Buchwert für den Vermögenswert beibehalten.
Die Ausnahme ist der Höhe nach auf den Veräußerungsgewinn multipliziert mit dem Mindeststeuersatz von 15% begrenzt.
viii) Übergangsregelungen bei gemischten Hinzurechnungsbesteuerungsregimen
§ 84 MinStG-E regelt die Verteilung von erfassten Steuern zwischen Geschäftseinheiten bei sog. gemischten Hinzurechnungsbesteuerungsregimen. Abweichend von § 41 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 MinStG-E ist die den einzelnen Geschäftseinheiten zuzurechnende Steuer entsprechend einer bestimmten Formel zu ermitteln.
Ein gemischtes Hinzurechnungsbesteuerungsregime ist eine Form der Hinzurechnungsbesteuerung, bei der Gewinne, Verluste sowie anrechenbare Steuern aller (!) ausländischen Einheiten für Zwecke der Berechnung des Hinzurechnungsbetrags des unmittelbar oder mittelbar beteiligten Gesellschafters dieser ausländischen Einheiten aggregiert betrachtet werden und der Hinzurechnungsbetrag einem anwendbaren Steuersatz unterhalb von 15% unterliegt. Ein gemischtes Hinzurechnungsbesteuerungsregime sollte insbesondere die US-amerikanische GILTI sein.
Die Übergangsregelungen sind begrenzt auf Geschäftsjahre, die vor dem 31.12.2025 beginnen und bis zum 30. Juni 2027 enden.
ix) Besteuerungszeitraum
Nach § 89 Satz 2 MinStG-E ist der Besteuerungszeitraum für die Mindeststeuer das Kalenderjahr.
ix) Bußgeldvorschriften
Gemäß § 92 MinStG-E ist die unterlassene, verspätete oder nicht sind der vorgeschriebenen Weise erfolgte Abgabe sowie die nicht richtige oder unvollständige Abgabe des Mindeststeuer-Berichts eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldbuße in Höhe von EUR 30.000 geahndet werden.
Von einer Geldbuße soll jedoch während der Übergangszeit (Geschäftsjahre, die am oder vor dem 31. Dezember 2026 beginnen, aber vor dem 1. Juli 2028 enden) abgesehen werden, wenn die berichtspflichtige Geschäftseinheit nachweist, dass sie angemessene Maßnahmen ergriffen hat, die eine nicht rechtzeitige oder nicht in der vorgeschriebenen Weise oder eine nicht richtige oder unvollständige Abgabe rechtfertigen.
Sonstiges
§ 43 Abs. 3 und 4 MinStG-E enthält nunmehr Regelungen für den Vortrag eines in bestimmten Konstellationen entstehenden sog. zusätzlichen Steuererhöhungsbetrags.
In § 47 Abs. 1 Nr. 5 MinStG-E wurden Ergänzungen mit Blick auf latente Steuern im Zusammenhang mit der Entstehung und Nutzung von Steueranrechnungsbeträgen aufgenommen.
In § 28 MinStG-E wurden sog. RT1-Instrumente von Versicherungen aufgenommen.
§ 30 MinStG-E enthält nun Regelungen zu fondsgebundenen Versicherungen bei Versicherungseinheiten.
In § 70 MinStG-E wurden Veränderungen am Steuertransparenzwahlrecht für Investmenteinheiten vorgenommen.
Änderungen in anderen Steuergesetzen in Zusammenhang mit dem MinStG
i) Abgabenordnung
§ 152 Abs. 3 Nr. 4 AO wird um die nach § 90 MinStG-E abzugebenden Steuererklärungen ergänzt, sodass bei verspäteter Abgabe ein Verspätungszuschlag nicht zwingend festgesetzt werden muss.
ii) Finanzverwaltungsgesetz
In § 5 Abs. 1 Nr. 5h des Finanzverwaltungsgesetzes wird geregelt, dass das BZSt
- die Mindeststeuerberichte nach § 72 MinStG entgegennimmt und an die jeweils zuständige Landesfinanzbehörde weiterleitet,
- die Meldungen über den Gruppenträger nach § 3 Abs. 4 MinStG-E entgegennimmt sowie
- das Bußgeldverfahren nach § 92 MinStG-E durchführt.
Sonstige Änderungen
Der Referentenentwurf sieht eine Aufhebung der in § 4j EStG geregelten sog. Lizenzschranke mit Wirkung für nach dem 31.12.2023 entstehende Aufwendungen vor. Angesichts des Ablaufs der Übergangsfrist zur Anpassung nicht Nexus-konformer Präferenzregelungen an BEPS-Aktionspunkt 5 am 30. Juni 2021, der Vielzahl an zwischenzeitlich international abgestimmten Maßnahmen gegen Gewinnverlagerungen sowie der internationalen Sonderstellung der Regelung des § 4j EStG wird die Abschaffung der Vorschrift für gerechtfertigt gehalten.
Daneben soll die Niedrigsteuergrenze in § 8 Abs. 5 AStG von 25% auf 15% mit Wirkung ab dem VZ 2024 abgesenkt werden. Die Gewerbesteuerpflicht des Hinzurechnungsbetrags und bestimmter ausländischer Betriebsstätten (§ 7 Satz 7 bis 9 GewStG) soll gestrichen und letztmals für den EZ 2023 angewendet werden.
Update (16. August 2023)
Das Bundeskabinett hat in seiner heutigen Sitzung einen Gesetzentwurf zur Umsetzung der Mindestbesteuerungsrichtlinie beschlossen. Ein Regierungsentwurf liegt derzeit noch nicht vor.