Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei einer Kapitalgesellschaft

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass eine Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung voraussetzt. Einer Rückgängigmachung des Ersterwerbs steht zwar nicht entgegen, dass der Ersterwerber bei einer erneuten Veräußerung eine ihm verbleibende Rechtsposition oder deren Anschein davon (hier: Auflassungsvormerkung) tatsächlich nicht ausübt oder im ausschließlichen Interesse eines Dritten handelt. Verwertet der Ersterwerber den aufgrund der Auflassungsvormerkung bestehenden Anschein einer Rechtsposition jedoch in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse, ist eine entsprechende Rückgängigmachung ausgeschlossen. Ist eine Ersterwerberin eine Kapitalgesellschaft, muss sie sich die Interessen ihrer Gesellschafter beziehungsweise Geschäftsführer zurechnen lassen.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, hatte mit Kaufvertrag vom 5.7.2016 Grundbesitz erworben (Ersterwerb). Wenige Zeit später wurde zugunsten der Klägerin eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Zu einem dinglichen Übergang des Grundbesitzes kam es nicht, wohl aber zur Zahlung des vereinbarten Kaufpreises. Das zuständige Finanzamt setzte mit Bescheid vom 25.8.2016 für den Ersterwerb Grunderwerbsteuer fest.

Da die Klägerin die erforderliche Finanzierung für die mit dem Grundbesitz zusammenhängenden Bauprojekte nicht aufbringen konnte, schloss sie am 9.5.2017 einen Aufhebungsvertrag mit der Verkäuferin. Dieser sah u.a. die Aufhebung der Auflassungsvormerkung vor, machte die Vorlage des Aufhebungsvertrags beim Grundbuchamt und Finanzamt jedoch vom Nachweis der Rückzahlung des Kaufpreises abhängig. Letztere erfolgte trotz Anmahnungen der Klägerin nicht.

Mit Kaufvertrag vom 29.6.2017 veräußerte die Verkäuferin die Grundstücke dann an die Geschäftsführer und mittelbaren Gesellschafter der Klägerin (Neuerwerb), wofür ebenfalls (nicht streitgegenständlich) Grunderwerbsteuer festgesetzt wurde. Die Kaufpreiszahlung erfolgte durch die Neuerwerber unmittelbar an die Klägerin. Die Löschung der Auflassungsvormerkung im Grundbuch erfolgte ca. ein Jahr später.

Die Klägerin begehrte die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung für den Ersterwerb nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, da der Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren rückgängig gemacht worden sei. Dem folgte das Finanzamt nicht. Das Hessische Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage als unbegründet zurück.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG waren – so der BFH – nicht gegeben:

Eine tatsächliche und vollständige Rückgängigmachung setze grundsätzlich die Löschung einer zugunsten des Ersterwerbers eingetragenen Auflassungsvormerkung voraus, da diese die Verkehrsfähigkeit des Grundstücks unabhängig vom zivilrechtlichen Übereignungsanspruchs beeinträchtige (Rz. 16 f.). Hierbei sei die Löschungsbewilligung ohne tatsächliche Löschung im Grundbuch nicht ausreichend, denn dadurch könne der Veräußerer noch nicht (wieder) frei über das Grundstück verfügen. Im Streitfall war dies aufgrund der vorgesehenen Abhängigkeit der Löschung von der Rückzahlung des Kaufpreises (wie im Rechtsverkehr üblich) erst mit dem Neuerwerb erfolgt (Rz. 18).

Eine Rückgängigmachung sei allerdings nur dann ausgeschlossen, wenn der Ersterwerber die verbliebene Rechtsposition oder den Anschein der Rechtsposition nach der Aufhebung des Kaufvertrags in seinem eigenen (wirtschaftlichen) Interesse verwertet (Rz. 19, siehe auch BFH II R 10/16 vom 19.9.2018). Übt der Ersterwerber bei der erneuten Veräußerung eine ihm aus dem Erwerbsvorgang verbliebene Rechtsposition oder deren Anschein (hier: Auflassungsvormerkung) tatsächlich nicht aus oder handelt der Ersterwerber insoweit im ausschließlichen Interesse eines Dritten, stehe dies einer Rückgängigmachung nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG nicht entgegen (Rz. 20). Eine Kapitalgesellschaft als Ersterwerberin habe sich dabei die Interessen (Verwirklichung des Bauprojektes) der für sie handelnden Personen, d.h. ihrer Geschäftsführer, zurechnen zu lassen (Rz. 21).

Fundstelle

BFH, Urteil vom 25. April 2023 (II R 38/20), veröffentlicht am 31. August 2023.

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