Umsatzsteuerliche Organschaft und wirtschaftliche Eingliederung
Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs kann die wirtschaftliche Eingliederung nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen den Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen.
Hintergrund
Streitig ist das Bestehen einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft in den Streitjahren 2008 bis 2011. Die Klägerin ist eine GmbH und betrieb die Vermietung und Verwaltung von Wohn- und Gewerbeimmobilien. Alleingesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der Klägerin war G. Dieser führte ein Einzelunternehmen, dessen Gegenstand der Erwerb von Immobiliarvermögen war.
Die Klägerin war Teil der "V Gruppe", der mehrere Kapitalgesellschaften sowie eine Kommanditgesellschaft (KG) angehörten und die bis Ende 2011 Dienstleistungen im Immobilienbereich anbot. Die KG trat als Spitze der Unternehmensgruppe auf. Zur Geschäftstätigkeit der Klägerin gehörte unter anderem die Verwaltung von Mieteinheiten, die sich auf zwölf mit Wohnhäusern bebauten Grundstücken befanden, die im Eigentum des G standen. Zudem mietete die Klägerin Büroräume von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der G zu 95 % beteiligt war.
Die Klägerin berief sich gegenüber dem Finanzamt vergebens darauf, eine Organgesellschaft des G als Organträger gewesen zu sein. Die streitige wirtschaftliche Eingliederung beruhe darauf, dass die GbR ihr Büroräume vermiete.
Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des Finanzamts und hatte die Klage abgewiesen.
Entscheidung des BFH
Der BFH sah die Revision der Klägerin als begründet. Er hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das Finanzgericht zurück. Dieses habe das Bestehen einer Organschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG rechtsfehlerhaft verneint. Es habe insbesondere nicht beachtet, dass die Klägerin aufgrund von Verflechtungen mit anderen Gesellschaften der V-Gruppe, die selbst Organgesellschaften des G sein könnten, in das Unternehmen des G wirtschaftlich eingegliedert sein kann.
Die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des G kann sich im Streitfall aus der Bedeutung der Hausverwaltungsdienste für die Klägerin als Leistungserbringerin ergeben. Ob dies der Fall ist, lässt das Finanzgericht in seinem Urteil offen. Zwar hat es die Anzahl der von der Klägerin verwalteten Wohneinheiten in den Streitjahren festgestellt. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung wurden die in Bezug genommenen Zahlen jedoch nur für den Stichtag 01.01.2008 genannt; ob sie auch für den nachfolgenden Zeitraum zutreffend sind, ist unklar.
Das Finanzgericht habe zudem u. a. offengelassen, ob eine wirtschaftliche Verflechtung zwischen der Klägerin und anderen Unternehmen der V-Gruppe bestand. Dass die Klägerin nicht zum Gewinnausgleich gegenüber den anderen Unternehmen der V-Gruppe verpflichtet war, schließt nicht aus, dass sich die wirtschaftliche Verflechtung aus anderen Gründen ergibt. Soweit das Finanzgericht gegen die wirtschaftliche Eingliederung der Klägerin in das Unternehmen des G anführt, dass die Klägerin mit G keine Provisionsvereinbarung getroffen habe, lässt es dabei außer Betracht, dass die Verflechtung auch zwischen Schwestergesellschaften bestehen kann.
Eine wirtschaftliche Eingliederung, so der BFH abschließend, ist - entgegen der Auffassung des Finanzamts - nicht bereits deshalb zu verneinen, weil G seine Beteiligung an der Klägerin nicht seinem Unternehmensvermögen zugeordnet haben könnte. Entscheidend ist allein, ob die Unternehmensbereiche von Organträger und Organgesellschaft miteinander verflochten sind.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 11. Mai 2023 (V R 28/20) – veröffentlicht am 14. September 2023.