Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG: Verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel

Auch wenn nach summarischer Prüfung verfassungs- und unionsrechtliche Zweifel an der Hinzurechnungsbesteuerung gemäß §§ 7 ff. AStG jedenfalls insoweit bestehen, als die Niedrigsteuerschwelle im Sinne des § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AStG (25 %) höher ist als die niedrigste nationale Gesamtsteuerbelastung bei unbeschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG (22,825 % unter Einbeziehung der Gewerbesteuer), bleibt eine Beschwerde im AdV-Verfahren ohne Erfolg, wenn es ausgeschlossen erscheint, dass die Antragsteller angesichts einer "Nullbesteuerung" der streitigen Einkünfte im Ausland von einer einen Verfassungs- beziehungsweise Unionsrechtsverstoß beseitigenden begünstigenden Rechtslage profitieren könnten. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Beschluss entschieden.

Sachverhalt

An einer in Hongkong ansässigen Ltd. waren in Deutschland ansässige Personen zu je 1/3 beteiligt. Die Ltd. erzielte Einkünfte aus der Erbringung von Dienstleistungen, die in Hongkong nicht besteuert wurden. Eine Feststellungserklärung nach § 18 Außensteuergesetz (AStG) wurde nicht abgegeben. Die Antragsgegnerin, die nicht mit den Wohnsitz-Finanzämtern identisch war, erließ einen Feststellungsbescheid für 2016 und schätzte den Hinzurechnungsbetrag i.S.d. § 10 Abs. 1 AStG. Hiergegen wurde Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung (AdV) beantragt, die seitens der Antragsgegnerin abgelehnt wurde.

Streitig war zum einen die Zuständigkeit für den Erlass des Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung gem. § 18 AStG sowie die Europarechtskonformität der Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 ff. AStG.

Der Antrag vor dem Finanzgericht Münster hatte keinen Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht konnte rechtsfehlerfrei unter Hinweis auf den zu den Feststellungsjahren 2005 bis 2007 ergangenen BFH-Beschluss vom 30.09.2020, I R 12/19 (I R 78/14) ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellung ablehnen; ungeachtet der rechtstatsächlichen Entwicklung bestehen auch im Feststellungsjahr 2016 in der streitgegenständlichen Konstellation einer ausländischen Ertragsteuerbelastung der Zwischengesellschaft von 0 % und der Zuordnung der Hinzurechnungsbeträge an natürliche Personen und ebenfalls ungeachtet der gegen den BFH-Beschluss I R 12/19 (I R 78/14) erhobenen Verfassungsbeschwerde (Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG): 2 BvR 923/21, siehe unseren Blogbeitrag) keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.

Die Beschwerde der Antragsteller bleibt ohne Erfolg. Denn die verfassungsrechtlichen Zweifel könnten sich zwar auf der Grundlage einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung zu den Voraussetzungen einer niedrigen Besteuerung und einem Auftrag an den Gesetzgeber, die Beseitigung eines Verfassungsverstoßes zu bewirken, dahin auflösen, dass der Gesetzgeber die Niedrigsteuergrenze auf 22,825 % (unter Berücksichtigung der Gewerbesteuer) beziehungsweise 15,825 % (ohne Gewerbesteuer) absenkt. Angesichts der streitgegenständlichen Situation einer "Nullbesteuerung" der Einkünfte der Zwischengesellschaft in Hongkong könnten die Antragsteller allerdings hiervon nicht profitieren.

Dem Senat erscheint es als schlechthin ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber eine die Antragsteller im Streitfall begünstigende neue Rechtslage (im Sinne einer vollständigen Abschaffung der Hinzurechnungsbesteuerung) schaffen könnte.

Entsprechendes gilt für die angeführten unionsrechtlichen Zweifel. Denn auch ein vom Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erkannter Unionsrechtsverstoß der Hinzurechnungsbesteuerung würde nicht zu einer vollständigen Unanwendbarkeit oder Nichtigkeit der nationalen Vorschriften führen; vielmehr würde nach der vom Senat in ständiger Rechtsprechung vertretenen sogenannten geltungserhaltenden Reduktion unter Beachtung des Anwendungsvorrangs des Primärrechts vor nationalem Recht der Unionsrechtswidrigkeit durch das "Hineinlesen" der vom EuGH verbindlich formulierten unionsrechtlichen Erfordernisse in die betroffene Norm Rechnung getragen (z.B. BFH-Urteile vom 03.02.2010, I R 21/06; vom 15.01.2015 - I R 69/12).

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 13. September 2023 (I B 11/22 (AdV)), veröffentlicht am 19. Oktober 2023.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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