Auswirkungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zum Nachtragshaushalt 2021 auf staatliche Beihilfen und Förderprogramme

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Urteil vom 15.11.2023 den zweiten Nachtragshaushalt 2021 für verfassungswidrig erklärt, wodurch dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) nun 60 Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen. Neben den finanzverfassungsrechtlichen und politischen Implikationen hat das Urteil konkrete und sofortige Auswirkungen auf geplante staatliche Beihilfen in Deutschland. Denn ein substantieller Anteil der avisierten Förderung für die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft, u.a. für Mikroelektronik und Batterietechnologien, soll aus Mitteln des KTF erfolgen.

Verfasst von Kerstin Rohde und Adrian Roseanu, LL.M.

Hintergrund

Durch den zweiten Nachtragshaushalt hatte die Bundesregierung im Februar 2022 – nach Abschluss des Haushaltsjahres 2021 – 60 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen in ein Sondervermögen verschoben, welches heute als KTF bezeichnet wird. Diese Kreditermächtigungen waren ursprünglich im Rahmen der Maßnahmen zur Überbrückung der Covid-19-Pandemie eingeplant, wurden für diesen Zweck jedoch nicht mehr benötigt. Die Kreditermächtigungen sollten nach dem Plan der Bundesregierung in den Folgejahren für Titel aus dem Wirtschaftsplan des KTF verwendet werden, während die Summe in voller Höhe im Jahr 2021 verbucht werden konnte.

Die Bundesregierung sah in (den wirtschaftlichen Folgen) der Covid-19-Pandemie eine außerordentliche Notsituation, welche eine Ausnahme von dem in Art. 115 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verankerten Verbot der Neuverschuldung (Schuldenbremse) rechtfertigte (Art. 115 Abs. 2 S. 6 GG). Dadurch konnten neue Kreditermächtigungen gewährt werden. Für die Jahre 2023 und 2024 wird die Schuldenbremse nach derzeitigem Planungsstand wieder gelten. Durch die Verlagerung der Kreditermächtigungen in den KTF bei Verbuchung der Summen im Haushalt 2021, konnte die Bundesregierung so die zuvor ungenutzten 60 Milliarden Euro nutzen, ohne den aktuellen Haushalt negativ zu belasten und gegen die Schuldenbremse zu verstoßen.

Das Urteil des BVerfG

Diesen zweiten Nachtragshaushalt 2021 hat das BVerfG nun für nichtig erklärt und diese Entscheidung auf drei Gründe gestützt:

  1. Ein Veranlassungszusammenhang zwischen der Notsituation und der Überschreitung der Kreditobergrenzen ist erforderlich und in diesem Fall nicht ausreichend dargelegt.
  2. Der Nachtragshaushalt verstößt gegen die Prinzipien der Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit, die auch bei Notsituationen einzuhalten sind, d.h. dass ein Haushalt für jedes Jahr erstellt werden muss, die darin enthaltenen Ermächtigungen im jeweiligen Haushaltsjahr in Anspruch genommen werden müssen und nicht unbeschränkt in die Zukunft verlagert werden können.
  3. Der Nachtragshaushalt widerspricht dem Grundsatz der Vorherigkeit aus Art. 110 Abs. 2 S. 1 GG, d.h. er hätte innerhalb des Haushaltsjahres 2021 beschlossen werden müssen.

Durch die Nichtigkeit des zweiten Nachtragshaushalt 2021 verringern sich rückwirkend die dem KTF zur Verfügung stehenden Mittel um 60 Milliarden Euro. Die tatsächliche Finanzierungslücke dürfte zwar niedriger sein, da der KTF auch Erlöse aus dem europäischen Emissionshandel und aus der nationalen CO2-Bepreisung im Verkehrs- und Gebäudesektor generiert. Nichtsdestotrotz umfasst der bisherige Wirtschaftsplan des KTF für das Jahr 2024 Programmausgaben in Höhe von 57,6 Milliarden Euro und wird von der Bundesregierung als „wichtiger Schub für Investitionen in Zukunftstechnologien und Klimaschutz“ betitelt. Aus dem KFT sollten insbesondere auch Vorhaben für energie- und wärmeeffiziente Gebäude(-sanierungen) und Transformationsprogramme in der Mikroelektronik sowie in der Elektromobilität inkl. der Batteriezellfertigung finanziert werden.

Auswirkungen auf geplante staatliche Beihilfen und Förderung

Als unmittelbare Reaktion auf das Urteil löschte der Bundesfinanzminister die Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro und verhängte nach § 41 Bundeshaushaltsordnung eine sofort geltende Haushaltssperre für den KFT. Weiterhin kündigte er die Aufstellung eines neuen Wirtschaftsplans für die Jahre ab 2024 an.

Bis dahin sind Programmausgaben zumindest zeitweise gesperrt. Die konkreten Auswirkungen können bis zur Vorlage des neuen Wirtschaftsplans des KFT nicht abschließend bewertet werden. Den Aussagen der Bundesregierung ist zu entnehmen, dass bereits rechtlich verbindliche eingegangene Verpflichtungen und Zusagen eingehalten werden sollen. Dies bedeutet im Hinblick auf die Förderung privater Investitionen, dass bereits positiv beschiedene Anträge bessergestellt sind als Vorhaben, die sich noch im Vor- oder Antragsverfahren befinden.

Hinsichtlich der angekündigten Programmausgaben für das Jahr 2024 erscheint das Risiko von Kürzungen höher. In diesem Zusammenhang haben der Finanz- und der Wirtschaftsminister bereits angekündigt, dass die Maßnahmen für Energieeffizienz und erneuerbare Energien im Gebäudebereich (rund 18,8 Milliarden Euro) nicht von der Sperre oder einer Kürzung betroffen sein sollen. Ob die Bundesregierung aber die notwendigen Mittel bereitstellen kann, um alle im derzeitigen Wirtschaftsplan enthaltenen Programme umzusetzen, bleibt abzuwarten. Insofern steht die Bundesregierung vor der Herausforderung, die geweckten Erwartungen mit der Verringerung der Mittel im KTF in Einklang zu bringen.

Vor diesem Hintergrund ist es von besonderem Interesse, ob die Bundesregierung sich dazu entschließt, alle staatlichen (Einzel-)Beihilfen und Förderprogramme planmäßig umzusetzen. Dabei soll zum einen die Finanzierung des Haushaltstitels „Mikroelektronik“ gebündelt über den KTF erfolgen. Darunter dürften u.a. noch Vorhaben des Important Project of Common European Interest (IPCEI) für Mikroelektronik sowie die Beihilfen für die angekündigten Investitionen von Intel in Magdeburg und TSMC in Dresden fallen. Zum anderen fallen laut Wirtschaftsplan auch Teile des Strompreispakets, das zuletzt von der Bundesregierung verkündet wurde, in den Finanzrahmen des KTF. Weiterhin ist nicht auszuschließen, dass auch die kürzlich veröffentlichte Förderrichtlinie „Resilienz und Nachhaltigkeit des Ökosystems der Batteriezellfertigung“, bei der in der vergangenen Woche das Vorverfahren abgeschlossen wurde, davon erfasst wird.

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