Statusanerkennung einer Integrierten Produktionsstätte oder eines offenen EU-Fertigungsbetriebs nach dem EU Chips Act
Wie im Beitrag EU Chips Act – Die Halbleiterstrategie der EU-Kommission aus beihilfenrechtlicher Perspektive ausgeführt, ist der EU Chips Act (EU-VO 2023/1781, ABl. EU 2023, Nr. L 229/1, ECA) Teil der europäischen Halbleiterstrategie. Dabei erkennt die EU-Kommission in ihrer Mitteilung „Ein Chip-Gesetz für Europa“ an, dass private Investitionen in die fortschrittlichen Produktionsanlagen öffentliche Unterstützung u.a. in Gestalt von Beihilfen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV benötigen.
Verfasst von Kerstin Rohde
Relevanz des Statusverfahrens für die Vereinbarkeitsprüfung
In der Einzelfallprüfung nach Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV fragt die EU-Kommission die betreffenden Unternehmen u.a. nach der Bereitschaft, im sog. Statusverfahren die Anerkennung als Integrierte Produktionsstätte (IPS) oder offenen EU-Fertigungsbetrieb (EU OF) zu beantragen. Dies ist zwar nicht explizit als Vereinbarkeitsvoraussetzung niedergelegt. Mitgliedstaaten wie z.B. Deutschland haben sich mit der EU-Kommission indes darauf geeinigt, dieses Verfahren parallel zur EU-Notifizierung von staatlichen Beihilfen durchzuführen.
IPS und EU OF Begriff
Das Statusverfahren ist lediglich auf IPS und EU OFs anzuwenden. Gem. Art. 13 Abs. 1 ECA sind IPS „neuartige Anlagen für die Fertigung und gegebenenfalls auch den Entwurf von Halbleitern, oder für die Herstellung von Ausrüstung oder Schlüsselkomponenten für diese Ausrüstung, die überwiegend in der Halbleiterfertigung in der EU verwendet werden […]“.
EU OF sind gem. Art. 14 Abs. 1 ECA „neuartige Anlagen oder Halbleiterfertigungsanlagen definiert, die von ihnen unabhängigen Unternehmen Produktionskapazität anbieten und somit zur Versorgungssicherheit für den Binnenmarkt und zur Resilienz des Halbleiter-Ökosystems beitragen […]“.
Neuartige Anlage
Wesentliche Voraussetzung für die Statusanerkennung ist die Neuartigkeit der Anlage („First-of-a-kind“). Gem. Art. 2 Nr. 11 ECA sind neuartige Anlagen „neue oder erheblich modernisierte Halbleiterfertigungsanlagen oder Anlagen zur Herstellung von Ausrüstung oder Schlüsselkomponenten für solche Ausrüstung, die überwiegend in der Halbleiterfertigung verwendet werden, welche eine Innovation in Bezug auf das Fertigungsverfahren oder Endprodukt bieten, die im Wesentlichen in der Union noch nicht vorhanden ist oder noch nicht konkret geplant ist, (…]“.
Maßgeblich ist der Umfang der Verbreitung der Innovation in der EU. Anders als im Rahmen des IPCEIs, wo auf den globalen Stand der Technik abgestellt wird, kommt es hier auf den „europäischen Stand der Technik“ als Vergleichsmaßstab an. Die Neuartigkeit ist dabei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, soweit bereits ähnliche oder vergleichbare Anlagen vorhanden sind. Dies gilt entsprechend der „Guidance on the application for an undertaking to obtain the status of Integrated Production Facility and Open EU Foundry pursuant the Chips Act Regulation (2023/1781)“ (IPS/EU OF Guidance) z. B. für eine Massenproduktionsanlage, wenn bereits vergleichbare oder ähnliche Anlagen in der Forschung und Entwicklung oder in kleinem Maßstab eingesetzt werden. Die Neuartigkeit kann auch für mehrere parallele Vorhaben angenommen werden, soweit sie keinen Verdrängungswettbewerb auslösen und keine Gefahr der Schaffung von Überkapazitäten gegeben ist. Darüber hinaus wurde eine quantitative Grenze, ab der die Neuartigkeit auszuschließen ist, bis jetzt noch nicht definiert.
Vorteile und Verpflichtungen der Statusanerkennung
Die Statusanerkennung ist mit Vorteilen und Verpflichtungen für die betreffenden Unternehmen verbunden. Gem. Art. 18 ECA sollen IPS und EU-OF von einer beschleunigten Bearbeitung von Verwaltungsanträgen wie z.B. Planung, Bau und Betrieb der Anlage oder einem Prioritätsstatus profitieren können. Zudem sollen sie vorrangigen Zugang zu Pilotanlagen, die im Rahmen der „Chips for Europe-Initiative“ i.S.d. Art. 1 ECA eingerichtet wurden, erhalten.
Im Gegenzug verpflichten sich IPS und EU OF
- zur Annahme vorrangiger Aufträge für die Produktion von krisenrelevanten Produkten („Priority rated orders“). Sie ist bei Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit („Krisenfall“) Ultima Ratio, um insbes. die Produktion für kritische Sektoren wie den Gesundheits- oder Verteidigungssektor zu sichern;
- einen positiven Beitrag zur Entwicklung der Halbleiter-Wertschöpfungskette in der EU sowie eines Halbleiterökosystems zu leisten, z.B. durch
- Eröffnung des Zugangs für Dritte zu Produktionsanlagen,
- Zusammenarbeit in der Forschung mit europäischen Universitäten und Forschungsinstituten sowie mit nationalen Behörden oder Bildungs- und Berufsbildungseinrichtungen;
- zu garantieren, dass die Erfüllung vorrangiger Aufträge nicht durch eine extraterritoriale Anwendung von Gemeinwohlverpflichtungen untergraben wird;
- fortlaufend in Innovation im Halbleitersektor, wie z. B. in die Forschung und Entwicklung, zu investieren und
- die Ausbildung von qualifizierten Arbeitskräften zu unterstützen.
Ablauf des Statusverfahrens
Das Statusverfahren ist in Art. 15 ECA sowie in der IPS/EU OF Guidance geregelt.
Jedes Unternehmen oder Unternehmenskonsortium kann bei der DG CNECT einen Antrag für die Statusanerkennung stellen. Dem förmlichen Antrag geht ein mit dem Prä-Notifizierungsverfahren vergleichbares informelles Verfahren voraus, in dessen Rahmen offene Punkte des Antrags geklärt werden sollen. Die im Antrag zu machenden Angaben ähneln dabei denen der Beihilfenotifizierung. Daher ist die Möglichkeit der Querverweise auf das Notifizierungsdokument ausdrücklich als Arbeitserleichterung vorgesehen.
Nach Bestätigung der Vollständigkeit des Antrags soll die Prüfung innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen sein, vgl. IPS/EU OF Guidance. Danach wird die Berechtigung der Statusanerkennung durch die EU-Kommission stetig überwacht und kann ggfls. sogar aberkannt werden.
Ausblick
Das Statusverfahren unterstreicht die Bedeutung des Projekts für den grünen sowie digitalen Wandel in der EU und bestätigt das öffentliche Interesse an dem Projekt. Es soll das beihilferechtliche Notifizierungsverfahren erleichtern, indem z.B. die technischen Aspekte der Prüfung, etwa im Hinblick auf die Neuartigkeit, den Experten der DG CNECT übertragen wird. Ob dies gelingt oder ob das Statusverfahren als zusätzliches Verfahren die beihilferechtliche Notifizierung bremst, bleibt abzuwarten. Erste Erfahrungen zum Zusammenspiel des Statusverfahrens mit der beihilferechtlichen Notifizierung wird die EU-Kommission dieses Jahr sammeln. Die sich ergebenden Lessons Learned werden mit Spannung erwartet.
Co-Autorin des Beitrags ist Katrin Gerb.
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