Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen als fiktive Gewinnausschüttungen

Indem die Mehrabführungen durch § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 als Gewinnausschüttungen fingiert werden, handelt es sich zugleich um entsprechende Leistungen im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002, die die in § 38 Abs. 2 KStG 2002 angeordnete Körperschaftsteuererhöhung auslösen (Bestätigung der Rechtsprechung). Dies hat der BFH in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten darüber, ob für sogenannte vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen, die nach § 14 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 2002 i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes vom 09.12.2004 (BGBl I 2004, 3310, berichtigt 3843, BStBl I 2004, 1158) ‑KStG 2002‑ als Gewinnausschüttungen der Organgesellschaft an den Organträger gelten, die Ausschüttungsbelastung nach § 38 Abs. 2 KStG 2002 herzustellen ist.

Die Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte keinen Erfolg.

Der BFH hatte das Verfahren mit Beschluss vom 27.11.2013 - I R 36/13 (BFHE 245, 108, BStBl II 2014, 651) nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 1 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG) ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 34 Abs. 9 Nr. 4 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 infolge Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot verfassungswidrig ist.

Mit Beschluss vom 14.12.2022 - 2 BvL 7/13, 2 BvL 18/14 (BVerfGE 165, 103) hat das BVerfG festgestellt, dass § 34 Abs. 9 Nr. 4 i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 in bestimmten Sachverhaltskonstellationen gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) verstößt, und die Vorschrift teilweise für nichtig erklärt (§ 82 Abs. 1 i.V.m. § 78 Satz 1 BVerfGG); siehe unseren Blogbeitrag.

Der BFH hat den Rechtsstreit unter dem Aktenzeichen I R 16/23 (I R 36/13) wieder aufgenommen.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Vororganschaftlich verursachte Mehrabführungen im Sinne von § 14 Abs. 3 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 2002 i.d.F. des Richtlinien-Umsetzungsgesetzes (KStG 2002) sind als rein rechnerische Differenzbeträge zu verstehen.

Daher ist eine solche Mehrabführung der Höhe nach nicht auf den Betrag des handelsbilanziellen Jahresüberschusses begrenzt, den die Organgesellschaft (tatsächlich) an den Organträger abgeführt hat, sie kann auch nicht durch Saldierung mit weiteren vororganschaftlichen und/oder organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen dem Betrag nach begrenzt werden (sogenannte geschäftsvorfallbezogene Betrachtungsweise; Bestätigung der Rechtsprechung).

Indem die Mehrabführungen durch § 14 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 als Gewinnausschüttungen fingiert werden, handelt es sich zugleich um entsprechende Leistungen im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002, die die in § 38 Abs. 2 KStG 2002 angeordnete Körperschaftsteuererhöhung auslösen (Bestätigung der Rechtsprechung).

Der streitgegenständliche Sachverhalt fällt nicht unter die (Teil-)Nichtigerklärung der Regelung des § 14 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 9 Nr. 4 KStG 2002 durch das BVerfG, da im Streitfall keine der vom BVerfG als vertrauensschutzwürdig beschriebenen Konstellationen gegeben ist.

Die Klägerin hat den Ergebnisabführungsvertrag am 25.10.2002 und damit vor dem 05.03.2003 abgeschlossen. In dieser Fallkonstellation ist nach der Entscheidung des BVerfG das Vertrauen (nur) derjenigen steuerpflichtigen Organgesellschaften uneingeschränkt schutzwürdig, die im Jahr 2003 beziehungsweise 2004 eine dann gegebene Möglichkeit der ordentlichen Kündigung im Hinblick auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Senats (BFH, Urteile vom 18.12.2002, I R 51/01, I R 68/01 und I R 50/01) verstreichen ließen.

Im Ergebnis bedeutet dies, dass bei Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags vor dem 05.03.2003, der danach weder zum 31.12.2003 noch zum 31.12.2004 gekündigt werden konnte, schutzwürdiges Vertrauen allein unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistungsfunktion der Rechtsordnung besteht.

Diese greift aber nach den Maßgaben des BVerfG nur für Mehrabführungen ein, die sich auf den Schluss eines nach dem 31.12.2003, aber spätestens am 15.12.2004 endenden Wirtschaftsjahres ergeben, nicht aber für die streitgegenständlichen, sich auf den Schluss von nach dem 15.12.2004 endenden Wirtschaftsjahren ergebenden Mehrabführungen.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 10. April 2024 (I R 16/23 (I R 36/13)), veröffentlicht am 16. August 2024.

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