EuGH: Umsatzsteuerliche Leistungsbestimmung bei Verwendung von Karten oder Applikationen zum Aufladen von E-Fahrzeugen

Der Europäische Gerichtshof musste sich aufgrund eines schwedischen Vorabentscheidungsersuchen unter Beteiligung einer deutschen Gesellschaft mit umsatzsteuerlichen Fragen beschäftigen, die sich aus der Verwendung von Vorrichtungen (wie einer Karte oder Applikation) zum Aufladen von Elektrofahrzeugen ergeben. Das Ergebnis ist aus bestimmten Gründen abweichend von einer früheren Entscheidung der Luxemburger Richter aus 2023, wonach insgesamt eine einheitliche Lieferung vorliegt, die gleichwohl aus mehreren verschiedenen Leistungen an den betreffenden Ladepunkten bestehen kann.

Hintergrund

Das schwedische Vorabentscheidungsersuchen betrifft eine deutsche Gesellschaft, die Nutzern von Elektrofahrzeugen in Schweden Zugang zu einem Netzwerk von Ladepunkten ermöglicht, die von dortigen Ladepunktbetreibern zu Verfügung gestellt werden. Nach der Einschätzung der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 29. April 2024 impliziere dies, dass die verbrauchte Elektrizität dem Nutzer vom genannten Betreiber geliefert wird und das Unternehmen, das den Zugang zu diesen Ladepunkten anbietet, bei diesen Lieferungen als Kommissionär auftritt. Insofern stellte sie in ihren Schlussanträgen fest, dass zwei verschiedene Arten von Leistungen erbracht werden: eine Dienstleistungserbringung und eine Lieferung von Gegenständen bzw. Strom (siehe hierzu unseren Blogbeitrag vom 29. April 2024).

Die Fragen zur Vorabentscheidung:

Stellt eine Leistung an den Nutzer eines Elektrofahrzeugs, die im Aufladen des Fahrzeugs an einer Ladestation besteht, eine Lieferung eines Gegenstands dar?

Falls diese Frage bejaht wird, ist dann eine solche Lieferung in allen Abschnitten der Transaktionskette, in die ein zwischengeschaltetes Unternehmen eingebunden ist, als gegeben anzunehmen, wenn die Transaktionskette in jedem Abschnitt mit einem Vertrag einhergeht, aber nur der Nutzer des Fahrzeugs über Umstände wie die Menge, den Zeitpunkt und den Ort der Aufladung sowie die Art der Verwendung der Elektrizität entscheiden kann?

Entscheidung des EuGH

Der EuGH bestätigt im Wesentlichen die Kommissionsthese der Generalanwältin und beantwortet die beiden Vorlagefragen wie folgt:

1.  Die Lieferung von Elektrizität zum Aufladen eines Elektrofahrzeugs an einem Ladepunkt, der zu einem öffentlichen Ladepunktnetz gehört, stellt eine Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie dar.

2.  Die Aufladung eines Elektrofahrzeugs bei einem Netz öffentlicher Ladepunkte, zu dem der Nutzer über einen Vertrag Zugang hat, den er mit einer von dem Netzbetreiber verschiedenen Gesellschaft abgeschlossen hat, bedeutet, dass die verbrauchte Elektrizität als in einem ersten Schritt vom Netzbetreiber an die Gesellschaft, die den Zugang zu diesem Netz anbietet, und in einem zweiten Schritt von dieser Gesellschaft an den Nutzer geliefert gilt, auch wenn Letzterer über Menge, Zeitpunkt und Ort der Aufladung sowie über die Art der Verwendung der Elektrizität entscheidet, wenn diese Gesellschaft im Rahmen eines Kommissionsvertrags im Sinne von Art. 14 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 in geänderter Fassung im eigenen Namen, aber für Rechnung des Nutzers tätig wird.

Hierzu führt der EuGH u. a. weiter aus:

Auf der Grundlage der von den Ladepunktbetreibern erhaltenen Rechnungen stellt Digital Charging Solutions den Karten- bzw. Applikationsnutzern ebenfalls auf monatlicher Basis Rechnungen aus, und zwar getrennt für die gelieferte Menge Elektrizität einerseits und für den Zugang zum Netz und die Nebenleistungen andererseits. Daher ist, wenn für diese anderen Leistungen vom Nutzer ein Entgelt in Form einer gesonderten festen Gebühr zu zahlen und unabhängig von der Lieferung von Elektrizität auf monatlicher Basis zu entrichten ist, vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen davon auszugehen, dass diese Dienstleistungen der eigentlichen Lieferung von Elektrizität verschieden und von ihr unabhängig sind.

Unter solchen Umständen anzunehmen, dass die in Rede stehenden Dienstleistungen mit der Lieferung von Elektrizität untrennbar verbunden sind oder eine reine Nebenleistung zu ihr darstellen, so dass sie zusammen mit dieser Lieferung einen einheitlichen komplexen Umsatz bilden, könnte die wirtschaftliche Realität in zweierlei Hinsicht künstlich verkennen. Dies betrifft erstens die monatlichen Zeiträume, in denen der Nutzer keine Elektrizität geliefert bekommt und dabei gemäß dem mit Digital Charging Solutions geschlossenen Vertrag die feste Gebühr für diese Dienstleistungen zu zahlen hat. Zweitens betrifft dies den Umstand, dass diese Gebühr, die gesondert in Rechnung gestellt wird, vertragsgemäß weder von der an den Nutzer gelieferten Elektrizitätsmenge noch von der Anzahl der Ladevorgänge innerhalb desselben monatlichen Zeitraums abhängig ist.

Anmerkung: In einem früheren Urteil zu einem polnischen Vorabentscheidungsersuchen hatte der EuGH geurteilt, dass die fragliche Lieferung und Dienstleistungen für Mehrwertsteuerzwecke einen einzigen Umsatz bilden, die aus mehreren verschiedenen Leistungen an den betreffenden Ladepunkten bestehen kann (hierzu unseren Blogbeitrag vom 20. April 2023).

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2024 in der Rechtssache C-60/23 Digital Charging Solutions.

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