Bundesgerichtshof entscheidet über die Erstattung von Bankgebühren

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund unwirksamer Zustimmungsfiktionsklauseln erhoben wurden (Urteil vom 19. November 2024, Aktenzeichen XI ZR 139/23). Demnach müssen die Banken die Gebühren auch dann erstatten, wenn der Kunde das Girokonto durchgehend genutzt und die Entgelte über Jahre hinweg ohne ausdrückliche Zustimmung widerspruchslos gezahlt hat.

Verfasst von Dr. Thorsten Bonheur und Steffen Kamprolf

Hintergrund des Falles

Der Kläger verlangte die Rückzahlung von Kontoführungsentgelten für eine Girokarte, welche die beklagte Sparkasse aufgrund einer Klausel in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) erhoben hatte. Die Klausel regelte, dass Änderungen von Vertragsbedingungen oder Gebühren als akzeptiert gelten, sofern der Kunde nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspricht (Zustimmungsfiktionsklausel).

Die Verwendung einer Klausel dieser Art, die nahezu im gesamten Banken- und Sparkassensektor gebräuchlich war, hatte der BGH im „Postbank-Urteil“ vom 27. April 2021 für unwirksam erklärt (Aktenzeichen XI ZR 26/20).

Die Sparkasse wendete gegen die verlangte Rückzahlung ein, dass der Kläger trotz der Unwirksamkeit der Klausel durch die fortgesetzte Nutzung seines Kontos und der Girokarte die neue Entgeltregelung akzeptiert habe. Zudem sei eine Rückforderung nach der sogenannten Dreijahreslösung ausgeschlossen, denn der Kläger habe die Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren ohne Widerspruch gezahlt.

Die Entscheidung

Der BGH stellte klar, dass die Gebühren unrechtmäßig erhoben wurden und der Kläger einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hat. Die erhobenen Entgelte seien ohne rechtlichen Grund vom Konto des Klägers abgebucht worden, da dieser keine ausdrückliche Zustimmung zur Entgeltänderung erteilt habe. Die Zustimmung war erforderlich und könne nicht auf Grundlage der als unwirksam bewerteten Klausel fingiert werden.

Nach der Auffassung des Senats habe der Kläger seine Zustimmung auch nicht durch schlüssiges Verhalten erteilt, indem er sein Girokonto fortlaufend nutzte. Die bloße Nutzung eines Girokontos enthalte keinen objektiven Erklärungswert dahingehend, dass der Kontoinhaber die Vertragsänderungen akzeptiert. Die Kontonutzung stelle lediglich eine unverzichtbare Notwendigkeit für die Teilnahme am Zahlungsverkehr sowie am wirtschaftlichen und sozialen Leben dar.

Obwohl der Kunde die Entgelte über Jahre hinweg widerspruchslos zahlte, bedeutet das nach Ansicht des Senats nicht, dass eine Rückforderung der Entgelte ausgeschlossen ist. Der BGH hat für Energielieferungsverträge die Dreijahreslösung entwickelt, wonach Rückforderungen spätestens drei Jahre nach Erhalt der Jahresabrechnung geltend gemacht werden müssen (siehe BGH, Urteil vom 14. März 2012, Aktenzeichen: VIII ZR 113/11 sowie zuletzt BGH, Urteil vom 27. September 2023, Aktenzeichen: VIII ZR 249/22 – zu letzterem siehe den Blogbeitrag von PwC Legal). Der Senat entschied nun, dass die Dreijahreslösung auf unwirksame Zustimmungsfiktionsklauseln im Bankensektor nicht übertragbar sei.

Begründung: Anders als bei Preisanpassungsklauseln sei vorliegend keine ergänzende Vertragsauslegung notwendig, weil es bereits keine zu schließende Lücke im Vertrag gebe. Stattdessen greifen gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzlichen Vorschriften:

Nach § 311 Abs. 1, §§ 145 ff. BGB wird eine Vertragsänderung nur bei ausdrücklicher Zustimmung des Kunden zugelassen. Zudem sei das Kreditinstitut angesichts der bestehenden Möglichkeit, Verträge zu kündigen, auch nicht unzumutbar belastet.

Teile der instanzgerichtlichen Rechtsprechung hatten dies zuvor anders beurteilt und die Dreijahreslösung für anwendbar erachtet, um die Störung des vertraglichen Gleichgewichts interessengerecht zu beheben (so zuletzt LG Dresden, Urteil vom 11. März 2024, Aktenzeichen 9 S 256/23; LG Ingolstadt, Urteil vom 23. Juni 2023, Aktenzeichen 13 S 1539/22 p; AG Eisleben, Urteil vom 21. Dezember 2022, Aktenzeichen 23 C 40/22 – siehe hierzu den Blogbeitrag von PwC).

Relevanz der Entscheidung und Ausblick

Mit der Entscheidung steht fest, dass Banken und Sparkassen künftig nicht mehr davon ausgehen dürfen, dass Kundinnen und Kunden mit der Nutzung eines Kontos die angebotenen Änderungen der Entgeltbedingungen akzeptieren. Vielmehr müssen die Kreditinstitute nun sicherstellen, dass Änderungen der AGB in Zukunft aktiv bestätigt werden – entweder durch eine ausdrückliche Willenserklärung oder eine andere nachvollziehbare, unmissverständliche Zustimmung. Diese darf jedoch nicht in der bloß fortgesetzten Nutzung des Kontos gesehen werden.

Ob und inwieweit der hierdurch entstehende Verwaltungsaufwand für die Banken und Sparkassen zusätzliche Kosten mit sich bringt, die sich in erhöhten Entgelten niederschlagen, wird die Praxis zeigen. Dies gilt auch für die Frage, ob und inwieweit Kundinnen und Kunden aufgrund des Urteils zu Unrecht gezahlte Gebühren zurückverlangen werden. Allerdings kann laut BGH den Ansprüchen auf Erstattung zumindest die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden.

Die Entscheidung bringt hingegen keine Neuerungen hinsichtlich der Anwendbarkeit der Dreijahreslösung auf Bankverträge, in denen eine ergänzende Vertragsauslegung tatsächlich erforderlich ist. Dies betrifft Fälle, in denen Kundinnen und Kunden Ansprüche auf Zinsnachzahlungen aus Prämiensparverträgen gelten machen, bei denen keine ausdrückliche Zinsanpassungsklausel vereinbart wurde.

Die neue Entscheidung schließt eine Anwendung der Dreijahreslösung in diesen Fällen nicht aus. Denn anders als bei den Entgeltfällen besteht hier eine Vertragslücke, die über eine ergänzende Vertragsauslegung zu schließen ist.

Außerdem geht es in Prämiensparfällen häufig um deutlich höhere Erstattungsbeträge. Aus diesem Grund spricht viel dafür, das Erfordernis eines untragbaren Ergebnisses für die Kreditinstitute als erfüllt anzusehen. Wie sich die Rechtsprechung in diesen Fällen zukünftig positioniert, bleibt abzuwarten.

Ein Schwerpunkt der Dispute Resolution Praxis von PwC Legal ist die Vertretung von Kreditinstituten und anderen Finanzdienstleistungsinstituten in bank- und kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten sowie bei der Abwehr von Kollektiv- und Massenklagen, wobei auch state-of-the-art Legal Tech-Lösungen zum Einsatz kommen. Insbesondere bei dem schon bislang vorgesehenen Instrument des kollektiven Rechtsschutzes im deutschen Recht – der Musterfeststellungsklage – hat das Dispute Team umfangreiche Praxiserfahrungen. Gleiches gilt für die Abwehr von Verbandsklagen nach dem UKlaG.

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