Zurechnungsbesteuerung für Stiftungen nach dem Außensteuergesetz europarechtswidrig
In insgesamt vier Urteilen hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Beschränkung der Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung auf ausländische Stiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.
Hintergrund:
Geklagt hatten die in Deutschland lebenden Begünstigten einer Schweizer Familienstiftung. Das Finanzamt hatte diesen unter Berufung auf das Außensteuergesetz (AStG) das Einkommen (2012) beziehungsweise die Einkünfte (ab 2013) der Schweizer Familienstiftung zugerechnet. Die Kläger hatten daher das Einkommen beziehungsweise die Einkünfte der Schweizer Familienstiftung zu versteuern, obwohl sie keine Ausschüttungen von dieser erhalten hatten. Eine Ausnahme von der Zurechnung versagte das Finanzamt, da diese nach dem AStG nur für Familienstiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens gilt.
Entscheidung
Der BFH hat den Klägern Recht gegeben. Die Kapitalverkehrsfreiheit gilt auch für Drittstaatensachverhalte und gebietet eine Anwendung der Ausnahme von der Zurechnungsbesteuerung auch für Familienstiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz in einem Drittstaat.
Zwar lagen in den Streitfällen die Voraussetzungen der Zurechnung der Einkünfte von Schweizer Familienstiftungen zu den im Inland ansässigen Feststellungsbeteiligten (alle natürliche Personen) nach § 15 Abs. 1 AStG vor. Dennoch dürfe, so der BFH, eine Zurechnung nach § 15 Abs. 6 AStG nicht stattfinden. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts (konkret: der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV) sei das einfache Gesetzesrecht geltungserhaltend zu reduzieren und § 15 Abs. 6 AStG - entgegen seinem Wortlaut - auf die im Drittstaat Schweiz ansässige Familienstiftung anzuwenden. Mit Ausnahme des Merkmals „Geschäftsleitung oder Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens“ seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 6 AStG gegeben. Insbesondere sei die große Auskunftsklausel in Art. 27 DBA-Schweiz 1971 eine dem § 2 Abs. 11 des EU-Amtshilfegesetzes vergleichbare zweiseitige Vereinbarung im Sinne des § 15 Abs. 6 Nr. 2 AStG.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 3. Dezember 2024 (IX R 32/22), veröffentlicht am 24. April 2025; siehe auch die im Wesentlichen inhaltsgleichen Urteile IX R 31/22, IX R 15/24 und IX R 16/24. – BFH-Pressemitteilung Nr. 25/25.
Eine englische Zusammenfassung finden Sie hier.