EuGH: Mehrwertsteuerbefreiung bei der Wiedereinfuhr von zollbefreiten Gegenständen in die Union
Vor dem Europäischen Gerichtshof ging es in einem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen erneut um Fragen zur Einfuhrmehrwertsteuerbefreiung bei der Wiedereinfuhr von Gegenständen in die Union, die unter eine Zollbefreiung fallen. Konkret: Ist die Einfuhrmehrwertsteuerbefreiung akzessorisch zur Zollbefreiung von wiedereingeführten Gegenständen oder sind beide Befreiungen eigenständig anzuwenden?
Hintergrund
Die Klägerin ist Eigentümerin von Pferden, die auf Turnieren in verschiedenen Ländern eingesetzt werden. Sie führte zwei Pferde aus dem Zollgebiet der EU nach Norwegen aus. Nachdem die Pferde an Turnieren teilgenommen hatten, wurden sie an einem Grenzübergang von Norwegen nach Schweden wieder in die Union zurückgebracht. Die Klägerin hielt nicht an der Zollstelle an, um die Pferde zu gestellen und eine Zollanmeldung vorzunehmen. Stattdessen wurde sie erst später von der Zollverwaltung angehalten, direkt nachdem sie die Zollstelle passiert hatte. Daraufhin wurde Einfuhrmehrwertsteuer erhoben. Eine Zollschuld wurde aber nicht festgesetzt.
Die vom EuGH zu beantwortende Frage war, ob sowohl die materiellen als auch die formalen Voraussetzungen, die in Art. 203 des Zollkodex genannt sind, erfüllt sein müssen, damit eine Befreiung von den Einfuhrabgaben und damit eine Befreiung von der Mehrwertsteuer bei der Wiedereinfuhr zu gewähren ist, wenn eine Zollschuld nach Art. 79 des Zollkodex wegen Nichterfüllung der Gestellungspflicht entstanden ist.
Entscheidung des EuGH
Die Nichterfüllung formaler Verpflichtungen steht der Befreiung von der Mehrwertsteuer für die Wiedereinfuhr von Gegenständen in das Gebiet der Europäischen Union in dem Zustand, in dem sie ausgeführt wurden, nicht entgegen.
Aus dem Wortlaut von Art. 143 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie geht hervor, dass die Befreiung von der Mehrwertsteuer für die Wiedereinfuhr von Gegenständen in dem Zustand, in dem sie ausgeführt wurden, u. a. davon abhängt, dass diese Gegenstände „unter eine Zollbefreiung fallen“. Art. 86 Abs. 6 des Zollkodex dehnt die Befreiung auf die Fälle aus, in denen eine Zollschuld u. a. nach Art. 79 entstanden ist. Dieser letzteren Vorschrift würde weitgehend die praktische Wirksamkeit genommen, wenn er keine Anwendung findet, weil die formalen Voraussetzungen für eine Zollbefreiung nicht erfüllt sind.
Konkret steht demnach der Umstand, dass sich ein Steuerpflichtiger wie im Ausgangsverfahren über formale Verpflichtungen wie die Gestellung und Anmeldung von Pferden zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr bei deren Wiedereinfuhr in das Gebiet der Union hinweggesetzt hat, der Anwendung der Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 143 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie für diesen Vorgang nicht entgegen, außer wenn erwiesen ist, dass ein Täuschungsversuch vorliegt. Letzteres zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 12. Juni 2025 in der Rechtssache C‑125/24 - Palmstråle.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.