Steuerfalle Freitextfeld?

Seit dem Veranlagungszeitraum 2017 enthält der Mantelbogen der Umsatzsteuer- sowie der Einkommensteuererklärung ein sog. qualifiziertes Freitextfeld. Dieses ist laut Formulartext auszufüllen, wenn über die Angaben in der Steuererklärung hinaus weitere oder abweichende Sachverhalte im Rahmen der Steuererklärung mitzuteilen sind. Die Funktion erscheint fakultativ – ist es aber nicht in jedem Fall.

Verfasst von Dr. Thorsten Zumwinkel, Sebastian Lattmann, LL.M., MBA und Johannes Freys

Hintergrund: Automatisierung mit Ausnahmeregel

Bereits mit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens vom 18. Juli 2016 wurde das Ziel einer weitgehend automatisierten Steuerveranlagung verfolgt. Eine personelle Prüfung der gemachten steuerlichen Angaben soll nach § 155 Abs. 4 AO nur noch bei besonderem Anlass erfolgen. Jedoch stellt § 150 Abs. 7 AO klar, dass es der steuerpflichtigen Person zu ermöglichen ist, eine manuelle Prüfung auszulösen. Hierzu dient das Freitextfeld.

Steuerliche Offenlegung (ggf. „Selbstanzeige“) erfolgt – besteht noch Handlungsbedarf?

Für den in der Praxis häufig auftretenden Fall, dass erstmals eine Steuererklärung abgegeben und dabei ein kritischer Sachverhalt offengelegt wird, stellt sich die Frage: Muss im Rahmen einer steuerlichen Offenlegung (gegebenenfalls auch in der Konstellation, dass diese als „Selbstanzeige“ gewertet wird) zusätzlich das Freitextfeld ausgefüllt werden? Die Antwort lautet: Grundsätzlich nein. Wenn die Offenlegung vollständig und nachvollziehbar ist und alle festsetzungsrelevanten Tatsachen dem Finanzamt in nachweisbarer Form vorliegen, besteht keine Pflicht, diese Inhalte zusätzlich im Formular zu wiederholen oder auf das Nacherklärungsschreiben zu verweisen. Insbesondere, wenn sichergestellt ist, dass das Offenlegungsschreiben zuerst in den Machtbereich der Finanzverwaltung gelangt und die „parallel“ abgegebene Steuererklärung zeitlich direkt nachfolgt. Die Veranlagungsgrundlage ist dann vollständig bekannt und eine weitere personelle Aussteuerung nicht erforderlich. Die übermittelte Steuererklärung ist damit nicht per se unrichtig oder unvollständig.

Mitteilungspflichten bei erkennbarer Fehleranfälligkeit

Anders verhält es sich, wenn für die steuerpflichtige Person erkennbar ist, dass die automatische Verarbeitung ohne ergänzende Hinweise zu einer unzutreffenden Steuerfestsetzung führen würde. In solchen Fällen besteht eine Pflicht, die für die korrekte Besteuerung notwendigen Informationen mitzuteilen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die steuerpflichtige Person eine von der Verwaltungsauffassung abweichende Meinung vertritt. Es besteht jedoch keine Pflicht, hierfür das Freitextfeld zu nutzen. Die abweichende Meinung kann auch in einem Begleitschreiben erläutert werden. Um sich von vornherein nicht dem Vorwurf einer unvollständigen Steuererklärung auszusetzen, ist es jedoch ratsam, das Freitextfeld zu nutzen bzw. im Freitextfeld auf das parallel versandte Schreiben zu verweisen. Dies gilt insbesondere für Fälle, in denen die Abgabe auf elektronischem Wege gesetzlich vorgeschrieben ist.

Unterbleibt dies, kann die Erklärung unvollständig sein – mit den möglichen steuerlichen oder strafrechtlichen Folgen.

Fazit für die Praxis

Die Nutzung des qualifizierten Freitextfelds ist im Rahmen steuerlicher Offenlegungen bzw. Nacherklärungen nicht verpflichtend, auch nicht als Verweis auf diese. Das Freitextfeld sollte nur dann ausgefüllt werden, wenn ohne weitere Erläuterungen ein fehlerhafter Bescheid zu erwarten ist. Eine handwerklich korrekt erstellte steuerliche Nacherklärung lässt dies nicht erwarten. Aber auch insoweit gibt es Besonderheiten, etwa in Prüfungsszenarien, Wiederholungsfällen oder Offenlegungskonstellationen, in denen keine erstmalige Steuererklärung, sondern (gehäuft) geänderte Steuererklärungen im ersten Schritt übermittelt werden, die eine Einzelfallbetrachtung erfordern, um verfahrensrechtlichen Risiken bestmöglich zu begegnen. Hierbei unterstützen wir Sie gerne. 

Kontaktieren Sie uns

Dr. Thorsten Zumwinkel

Partner Düsseldorf
Tel.: +49 211 981-4843
E-Mail: thorsten.zumwinkel@pwc.com

Sebastian Lattmann, LL.M., MBA

Senior Manager Berlin
Tel.: +49 1515 2843458
E-Mail: sebastian.lattmann@pwc.com

Johannes Freys

Senior Associate Berlin
Tel.: +49 151 26984296
E-Mail: johannes.freys@pwc.com

Zum Anfang