Unbeschränkte Steuerpflicht auch bei Doppelansässigkeit möglich

Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger neben einem inländischen Wohnsitz auch einen solchen im Ausland hat, schließt nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs die unbeschränkte Steuerpflicht auch dann nicht aus, wenn der ausländische Wohnsitz den Lebensmittelpunkt des Steuerpflichtigen begründet.

Im Streitfall ging es um einen Steuerpflichtigen (Kläger), der sowohl im Inland als auch in Rumänien einen Wohnsitz hatte; sein Lebensmittelpunkt befand sich seit 2002 in Rumänien. Die im Inland erzielten Einkünfte aus Gewerbetrieb, selbständiger Arbeit sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung verschiedener Objekte für die Streitjahre 2003 bis 2009 erklärte er beim deutschen Finanzamt im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für beschränkt Steuerpflichtige. Eine beschränkte Steuerpflicht sah auch das Finanzgericht (im Urteil 1 K 2833/12) als gegeben. Dies habe zur Folge, dass seine in Rumänien erzielten Einkünfte nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Der BFH sieht die Sache in zwei wesentlichen Punkten anders und hat den Fall zur nochmaligen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Die Annahme des Finanzgerichts, der Kläger habe in den Streitjahren im Inland einen Wohnsitz gehabt, ist nach Dafürhalten des BFH nicht durch ausreichende Tatsachenfeststellungen gedeckt. Zumal das Finanzgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass ein Steuerpflichtiger mit Wohnsitzen sowohl im In- als auch im Ausland dann nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei, wenn sein Lebensmittelpunkt im Ausland liegt.

Punkt 1: Inländischer Wohnsitz

Das Finanzgericht hatte einen inländischen Wohnsitz mit der Begründung angenommen, die dort unterhaltene Wohnung sei zum dauerhaften Wohnen geeignet gewesen und zumindest gelegentlich vom Kläger aufgesucht worden. Es hat jedoch, so der BFH, keinerlei Feststellungen zur Ausstattung der betreffenden Wohnung oder zu deren Innehaben durch den Kläger getroffen und auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Wohnung dem Kläger in den Streitjahren durchgängig und jederzeit als Bleibe zur Verfügung stand.

Punkt 2: Doppelwohnsitz schließt unbeschränkte Steuerpflicht nicht aus

Auch die Tatsache, dass der Kläger seinen Wohnsitz in Rumänien hatte, schließt nach Meinung der obersten Steuerrichter die unbeschränkte Steuerpflicht nicht aus. Ein Steuerpflichtiger könne gleichzeitig mehrere Wohnsitze i.S. des § 8 Abgabenordnung (AO) innehaben. Diese können im In- und/oder Ausland belegen sein. Der AO-Vorschrift seien keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung zwischen "Hauptwohnsitz" und "Nebenwohnsitz" zu entnehmen. Einzig entscheidend ist, ob objektiv erkennbare Umstände dafürsprechen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung für Zwecke des eigenen Wohnens beibehält.

Dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz sei ebenfalls nicht zu entnehmen, dass nur derjenige Wohnsitz zur unbeschränkten Steuerpflicht führt, der zugleich den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person darstellt. Insofern verweist der BFH auf seine früheren Entscheidungen zu dieser Thematik (zum Beispiel Urteil vom 25.5.2016 - I B 139/11), wonach ein inländischer Wohnsitz auch dann zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht eines Steuerpflichtigen führt, wenn der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen sich im Ausland befindet.

Fundstelle

BFH-Urteil vom 23. Oktober 2018 (I R 74/16), als NV-Entscheidung veröffentlicht am 20. März 2019

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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