Steuerverzinsung mit 6% ab 2014 verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit heute veröffentlichtem Beschluss entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit jährlich 6 % ab dem Jahr 2014 verfassungswidrig und für Verzinsungszeiträume ab 2019 in verfassungskonformer Weise neu zu regeln ist.

Laut dem heute veröffentlichten Beschluss hat das BVerfG (Erster Senat, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17) entschieden, dass die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen in § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO) verfassungswidrig ist, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume (nicht Veranlagungszeiträume) ab dem 1. Januar 2014 ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird.

Argumentation des Gerichts:

Steuerpflichtige, deren Steuer erst nach Ablauf der Karenzzeit festgesetzt wird, werden nach der bisherigen Gesetzeslage gegenüber Steuerpflichtigen, deren Steuer innerhalb der Karenzzeit festgesetzt wird, ungleich behandelt, da nur die Ersteren zinszahlungspflichtig sind. Die Rechtfertigung einer solchen Ungleichbehandlung muss sich an strengeren Verhältnismäßigkeitsanforderungen messen lassen.

Die Verzinsung von Steuernachforderungen nach § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO war ursprünglich verfassungsgemäß. Die Regelung ist nach Auffassung des BVerfG jedoch nicht mehr mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar, soweit auch der Zinsberechnung für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume noch ein Zinssatz von monatlich 0,5 % zugrunde gelegt wird.

Der typisiert festgelegte Zinssatz habe sich im Laufe der Zeit unter veränderten tatsächlichen Bedingungen als evident realitätsfern erwiesen. Das BVerfG verweist dabei auf ein sich verfestigendes Niedrigzinsniveau, wodurch die bisherige Vollverzinsung eine überschießende Wirkung entfalte.

Der Gesetzeszweck ließe sich auch durch andere Mittel fördern, die mindestens gleich geeignet wären und eine geringere Ungleichheit bewirken würden, wie eine Vollverzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz. Zu beachten ist, dass die Verfassungswidrigkeit der Verzinsung ab 2014 auch die Erstattungszinsen zugunsten der Steuerpflichtigen umfasst.

Auswirkungen:

Das BVerfG erklärt § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO umfassend und für alle Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2014 für verfassungswidrig. Dies gilt sowohl für Zinsen auf Steuernachforderungen als auch für Zinsen auf Steuererstattungen, da diese einheitlich im Gesetz geregelt sind. Für bis in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume bleibt die bisherige Regelung unbeanstandet, da sie bis zu diesem Zeitpunkt noch keine evident überschießende Wirkung entfaltet habe.

Trotz der festgestellten Verfassungswidrigkeit hält das Gericht es angesichts der damit verbundenen Gefahren für eine verlässliche Finanz- und Haushaltsplanung von Bund, Ländern und Kommunen nicht für gerechtfertigt, den Gesetzgeber für Verzinsungszeiträume vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2018 zur rückwirkenden Schaffung einer verfassungsgemäßen Regelung zu verpflichten. Die bisherige Vorschrift gilt insoweit fort.

Die Vorschrift ist jedoch unanwendbar für ab in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume. Gerichte und Verwaltungsbehörden dürfen die Norm im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen. Der Gesetzgeber ist insoweit verpflichtet, bis zum 31. Juli 2022 eine Neuregelung zu treffen. Diese soll sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 erstrecken und alle noch nicht bestandskräftigen Hoheitsakte erfassen.

Bereits ergangene und nicht bestandskräftige Bescheide über Nachzahlungszinsen betreffend Verzinsungszeiträume ab 1. Januar 2019 sollten mit einem Einspruch bzw. Widerspruch offengehalten werden, sofern die Zinsfestsetzung nicht bereits mit einem Vorläufigkeitsvermerk versehen wurde.

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