Einkünfte aus Kapitalvermögen und deren Zufluss bei gespaltener Gewinnverwendung

Ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, ist grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Der Kläger war im Jahr 2012 (Streitjahr) geschäftsführender Mehrheitsgesellschafter verschiedener zu einer Firmengruppe gehörender GmbH, deren Satzungsbestimmungen zur Gewinnverteilung identisch waren. Sie sahen vor, dass der auszuschüttende Gewinn grundsätzlich nach dem Verhältnis der Geschäftsanteile auf die Gesellschafter zu verteilen war. Allerdings konnte die Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit eine abweichende Gewinnausschüttung beschließen.

Wurde der Gewinn eines Gesellschafters nicht ausgeschüttet, war dieser nach der jeweiligen Satzung dem Gesellschafter auf einem personenbezogenen Rücklagenkonto gutzuschreiben. Der betroffene Gesellschafter musste dieser Regelung zustimmen. Auf dem personenbezogenen Rücklagenkonto befindliche Gewinne konnten zu einem späteren Zeitpunkt an diesen Gesellschafter ausgeschüttet werden. Hierüber entschied die Gesellschafterversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit (§ 13 Nr. 3 der Satzungen).

Für 23 jener GmbH, die teilweise ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr hatten, stellten die Gesellschafter im Streitjahr die Jahresabschlüsse 2011 bzw. 2011/2012 fest und entschieden sodann über die Verwendung und Verteilung der jeweiligen Bilanzgewinne. Hierzu stellten sie zunächst die Höhe der jeweils ausschüttbaren Gewinne fest. Im Weiteren beschlossen sie, dass die der jeweiligen Beteiligungshöhe entsprechenden Gewinnanteile der Minderheitsgesellschafter an diese ausgeschüttet wurden. Die ebenfalls der Beteiligungshöhe entsprechenden Anteile des Klägers am Gewinn wurden hingegen --so die jeweiligen Gesellschafterbeschlüsse-- "nicht ausgeschüttet und den personenbezogenen Rücklagen zugeführt".

Nach den Feststellungen des Niedersächsischen Finanzgerichts wurde im Streitjahr auf diese Weise ein Gesamtbetrag von ... € personenbezogenen Rücklagen des Klägers zugeführt. In den Jahresabschlüssen wurden diese Rücklagen als Gewinnrücklagen im Eigenkapital der jeweiligen Gesellschaft ausgewiesen.

Das Finanzamt war der Meinung, dem Kläger seien damit Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zugeflossen. Dementsprechend änderte das Finanzamt die bereits bestandskräftige Einkommensteuerfestsetzung des und erhöhte die gemäß § 32d Abs. 1 EStG besteuerten Kapitalerträge des Klägers.

Die Klage vor dem Niedersächsischen Finanzgericht blieb ohne Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

Das Finanzgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass dem Kläger mit der Einstellung seiner anteiligen Gewinne in die personenbezogenen Gewinnrücklagen Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen sind.

Es hat insbesondere verkannt, dass es infolge entsprechender Gesellschafterbeschlüsse in den Streitjahren bereits nicht zu Gewinnausschüttungen an den Kläger gekommen ist, so dass sich die Frage des Zuflusses von Gewinnanteilen gar nicht stellt.

Eine solche Einstellung in die gesellschafterbezogene Gewinnrücklage führt auch beim beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28. September 2021 (VIII R 25/19), veröffentlicht am 27. Januar 2022.

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