Schwerpunkte der Aufsicht 2025 - was Versicherer jetzt wissen müssen

Julia Wiens spricht über aktuelle aufsichtsrechtliche Fokusthemen.

In ihrer Rede vom 14. Mai 2025 sprach Julia Wiens, Exekutivdirektorin der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht über die derzeitigen Herausforderungen und Schwerpunkte der Aufsicht und markierte eine deutliche Richtung regulatorischer Prioritäten aus aufsichtsrechtlicher Perspektive. 

Vor dem Hintergrund nicht eindeutig absehbarer geopolitischer Spannungen und der gesenkten Wachstumsprognose des Bruttoinlandsprodukts wird einmal mehr deutlich: Versicherer stehen unter Beobachtung – nicht nur durch die Märkte, sondern auch durch die Aufsicht.

Julia Wiens konzentriert sich auf vier Fokusthemen der Aufsicht und erläutert, wie diese sowohl Herausforderungen als auch Schwerpunkte für die BaFin darstellen. Im Kontext der aktuellen regulatorischen Änderungen wie dem Solvency-II-Review, IRRD, MaGo, AI-Act, DORA und der Wohlverhaltensaufsicht bietet ihre Rede wertvolle Einblicke in die zukünftige Ausrichtung der BaFin und was Versicherer und Pensionsfonds aus aufsichtsrechtlicher Perspektive zu erwarten haben. Frau Wiens betont folgende Themen: Risiken alternativer Kapitalanlagen, Künstliche Intelligenz, Wohlverhaltensaufsicht und Bürokratieabbau.

Komplexität alternativer Kapitalanlagen verlangt leistungsstarkes Risikomanagement

Das derzeitige geopolitische Umfeld verstärkt die Risikolage und Unsicherheit an den Kapitalmärkten. Dies wird auch durch den Anstieg an Regelinsolvenzen verdeutlicht. Versicherungsunternehmen setzen verstärkt auf alternative Kapitalanlagen. Hier gibt es jedoch zu beachten, dass diese Produkte häufig komplex sind – ein angemessener Umgang mit den damit verbundenen Risiken erfordert ein umfassendes Verständnis dieser Produkte.

Ein leistungsstarkes Kapitalanlagerisikomanagement zählt zu den zentralen Pfeilern der Unternehmenssteuerung in der Versicherungswirtschaft. Neben der strategischen Asset-Allokation stehen dabei insbesondere ein klar definierter Rahmen für Limitsysteme, belastbare Überwachungsstrukturen sowie die konsequente Umsetzung des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht im Mittelpunkt – Anforderungen, die durch die Aufsicht zunehmend stärker adressiert werden. Dies wurde besonders durch die Veröffentlichung zusätzlicher Konsultationen und die Verschärfung des Prudent Person Principle, sowie der geplanten nationalen Umsetzung der IRRD unterstrichen.

Die Folge: Versicherer mit einem hohen Bestand an alternativen Kapitalanlagen stehen unter besonderer Beobachtung durch die Aufsicht. Die BaFin nimmt vereinzelt Prüfungen in diesem Bereich vor. Versicherer sollten demnach über ein ganzheitliches und aufsichtsrechtskonformes Kapitalrisikomanagement verfügen. Ein angemessenes Limitsystem sollte in dem Zusammenhang implementiert sein. Die Bedeutung der IRRD und dem Solvency-II-Review bieten hierbei das Momentum zur Optimierung.  

Technologischer Wandel und zunehmende Nutzung von künstlicher Intelligenz (KI) unter der Lupe

Cyber-Vorfälle sowie die Konzentrationen von IT-Auslagerungen sind zentrale Risiken für die gesamte Finanzbranche. Der verstärkte Nutzen von KI bringt neben Vorteilen in der Effizienz wie beispielsweise der Prozessoptimierung und Kostensenkung auch Risiken mit sich. Diese wurden zuletzt u.a. durch die Veröffentlichung des AI-Acts adressiert.

Hochgradig automatisierte Prozesse mit geringer menschlicher Überwachung können bestehende Diskriminierungsrisiken weiter verfestigen – insbesondere dann, wenn die zugrunde liegenden Trainingsdaten bestimmte Kundengruppen nicht sachgerecht abbilden. Des Weiteren sprach Frau Wiens das Risiko der Fehlinformationsübermittlung durch die Nutzung von generativer KI an. Hierbei sind weitere Ergänzungen des AI-Acts geplant und werden derzeit mit der EIOPA geklärt. 

Die Folge: Für Versicherer entsteht durch den zunehmenden Nutzen von automatisierten KI-Systemen eine wachsende Herausforderung, denn genau daraus resultierende Risiken rücken verstärkt in den Fokus der Aufsichtsbehörden, insbesondere im Hinblick auf Fairness, Nachvollziehbarkeit und Governance automatisierter Entscheidungen.

Besonders KI-Systeme, welche für die Risikobewertung und Preisbildung genutzt werden, werden als Hochrisikosysteme eingestuft. Höchstwahrscheinlich wird die BaFin den Einsatz dieser Systeme im Banken- und Versicherungssektor monitoren. 

Die Wohlverhaltensaufsicht wird spartenübergreifend

Ein weiterer Fokus legte die Exekutivdirektorin auf die Weiterentwicklung der Wohlverhaltensaufsicht. 

Produktgestaltung: Die Erweiterung der Wohlverhaltensaufsicht erfordert eine kritische Bewertung bestehender Produkte hinsichtlich ihres Kundennutzens. Hier sieht die Aufsicht weiterhin Nachbereitungsbedarf. 

Dieses Jahr stehen Versicherungsgesellschaften mit hoher Stornoquote im Fokus der Aufsicht, da sich hier unter anderem Abweichungen im Zielmarkt und dem damit verbundenen Kundennutzen vermuten lassen.

Obwohl der aktuelle Fokus weiterhin auf dem Lebensversicherungsbereich liegt, wird sie langfristig auf ein Konzept setzen, welches kompatibel für alle Sparten ist.

Die Folge: Versicherer sehen sich verstärkt mit der Erwartung konfrontiert, Zielmärkte präziser zu definieren, die Produktgestaltung konsequent am tatsächlichen Kundennutzen auszurichten und etwaige Zielmarktabweichungen nachvollziehbar zu analysieren. Insbesondere – aber nicht nur – Anbieter mit auffälligen Stornoquoten müssen weiterhin mit vertieften Prüfungen rechnen und ihre Governance-Prozesse hinsichtlich Produktüberwachung und -anpassung kritisch hinterfragen. Aber auch andere Sparten sollten sich wappnen: Die Wohlverhaltensaufsicht wird sich ausweiten – auch in der Sach- und Krankenversicherung.

Neben der aktuellen Entwicklung der Kleinanlegerstrategie, die sich auf die Lebensversicherung fokussiert, wird sich dies in Zukunft auch in regulatorischen Initiativen zeigen.

Bürokratieabbau als langfristiges To-Do:

Um die Unternehmen und sich selbst zu entlasten, plant die Aufsicht den systematischen Bürokratieabbau auf unterschiedlichen Ebenen. Unterstützt wird dieses Vorhaben ebenfalls von der EU-Kommission. Die Herausforderung liegt hier bei der Erhaltung des regulatorischen Sicherheitsniveaus bei steigender Proportionalität. Die Aufsicht plant hier regelmäßigen Austausch mit nationalen und internationalen Gesetzgebern. 

Was konkret wegfallen wird, befindet sich derzeit noch in Diskussion Darüber hinaus wird im Rahmen des Solvency II-Reviews an einigen Stellen auf das Ermessen der nationalen Aufsichtsbehörden abgestellt. Der genaue Kurs der BaFin steht noch nicht fest, deckt sich allerdings in einigen Punkten mit der Sichtweise des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), der bereits seit langem Entlastung fordert. 

Fazit:

Die aktuellen Schwerpunkte der Aufsicht zeigen klar: Versicherer müssen regulatorische Anforderungen nicht nur erfüllen, sondern auch aktiv interpretieren und strategisch umsetzen – über alle Sparten hinweg. Insbesondere in den Bereichen Wohlverhaltensaufsicht sowie Cyber- und KI-Risiken betont der GDV die Bedeutung einer Vereinfachung der regulatorischen Anforderungen und unterstreicht zugleich die Wichtigkeit eines leistungsstarken Risikomanagements für Cyber- und KI-Risiken. Grundsätzlich sieht der GDV den Versicherungssektor als solvent an, was auch durch eine geringere Nachfrage der Übergangsmaßnahmen nach Solvency-II verdeutlicht wird. Ob Kapitalanlagerisiken, Produktgovernance oder bürokratische Entlastung – die Erwartungen an Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Kundennutzen steigen. Unternehmen, die frühzeitig ihre Systeme, Prozesse und Entscheidungslogiken kritisch hinterfragen und weiterentwickeln, positionieren sich nicht nur regulatorisch sicher, sondern auch wettbewerbsfähig für die Zukunft.

Laufende Updates zum Thema erhalten Sie über das regulatorische Horizon Scanning in unserer Recherche-Applikation PwC Plus. Lesen Sie hier mehr über die Möglichkeiten und Angebote.

Zu weiteren PwC Blogs

Kontakt

Zum Anfang