EU-Mehrwertsteuererstattung: Monatsfrist zur Vorlage weiterer Informationen keine Ausschlussfrist

Der Europäische Gerichtshof hat hinsichtlich der in Artikel 20 der Richtlinie 2008/9/EG geregelten Monatsfrist betreffs der Vorlage ergänzender Unterlagen zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige Stellung genommen. Die Frist sei keine – wie von der Finanzverwaltung in Frankreich behauptet – Ausschlussfrist, sondern es müsse dem Steuerpflichtigen weiterhin die Möglichkeit erhalten bleiben, etwaige Mängel bei der Antragsstellung nachträglich und wirksam zu beheben.

Muss der Erstattungsantrag bei Überschreiten der Monatsfrist abgelehnt werden?

Vor dem EuGH ging es in einem französischen Fall um die Frage, ob die Nichteinhaltung der einmonatigen Beantwortungsfrist im Sinne von Artikel 20 Abs. 2 der Richtlinie 2008/9/EG (zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige) zur Verwirkung des Erstattungsantrags geführt habe und es nicht mehr möglich ist, die beanstandeten Mängel dadurch zu beheben, dass zusätzliche begründende Informationen unmittelbar dem nationalen Gericht vorgelegt werden. Sea Chefs, eine Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, hatte über das ihr im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung zur Verfügung gestellte elektronische Portal für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2014 die Erstattung eines Mehrwertsteuerguthabens beantragt. Am 14. Dezember 2015 forderte die französische Steuerverwaltung per E‑Mail von Sea Chefs zusätzliche Informationen an. Da Sea Chefs nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist von einem Monat antwortete, lehnte die Steuerverwaltung ihren Erstattungsantrag ab.

EuGH sieht einmonatige Vorlagefrist nicht als Ausschlussfrist

Der EuGH weist zunächst darauf hin, dass der Erstattungsanspruch ebenso wie das Recht auf Vorsteuerabzug ein Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt, durch das der Unternehmer vollständig von der geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden soll. Dieser Grundsatz der Neutralität könne nicht ohne weiteres eingeschränkt werden.

Aus dem Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 gehe nicht hervor, so der EuGH weiter, ob es sich bei der darin genannten Frist um eine Ausschlussfrist handelt. Aus dem Kontext, in dem sie in der Richtlinie 2008/9 steht, könne jedoch abgeleitet werden, dass sie keinen Ausschlusscharakter hat. Das Fehlen des (sonst andernorts verwendeten) Wortes „spätestens“ sei ein Hinweis darauf, dass der Unionsgesetzgeber hier keine Ausschlussfrist festlegen wollte.

Aber auch aus praktischen Erwägungen verbiete sich eine Ausschlussfrist in diesen Fällen. Denn: Die zusätzlichen Informationen könnten auch von einer anderen Person als dem Steuerpflichtigen oder von den Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Steuerpflichtige niedergelassen ist, angefordert werden. In diesem Fall würde das Ausbleiben einer Antwort oder eine verspätete Antwort dieser anderen Person oder dieser Behörden dazu führen, dass der Steuerpflichtige das Recht auf Erstattung der Mehrwertsteuer verliert, obwohl er keine Möglichkeit hätte, die Übersendung einer Antwort in irgendeiner Weise zu beeinflussen.

Letztlich weisen die Europarichter noch darauf hin, dass der Steuerpflichtige – trotz unterbliebener Übermittlung – gegen den abgelehnten Erstattungsantrag bei den nationalen Behörden Einspruch einlegen kann und zwar innerhalb der dort geltenden Fristen.

Fundstelle

EuGH-Urteil vom 2. Mai 2019 (C-133/18), Sea Chefs Cruise Services

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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