Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass ein Unternehmen, das Post-Universaldienstleistungen nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG, § 4 Nr. 11b UStG erbringt, Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG hat.

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH (nachfolgend: A). A betrieb bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens - neben weiteren mit ihr über die gemeinsame Muttergesellschaft verbundenen Unternehmen der B-Gruppe - ein Unternehmen, das insbesondere Postzustellungsaufträge im Inland ausführte.

A beantragte im Jahr 2010 beim Beklagten (Bundeszentralamt für Steuern (BZSt)), ihr eine Bescheinigung über die "Umsatzsteuerbefreiung in Bezug auf das Produkt Postzustellungsaufträge (PZA) gemäß §§ 176 ff. ZPO" nach § 4 Nr. 11b Umsatzsteuergesetz in der ab dem 01.07.2010 geltenden Fassung (UStG) zu erteilen. Zur Begründung führte A aus, dass das Produkt "Postzustellungsauftrag" dem Post-Universaldienst zuzuordnen sei.

A hatte sich gemäß § 4 Nr. 11b UStG über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem BZSt verpflichtet, bundesweit flächendeckende förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet anzubieten.

Das BZSt lehnte den Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b UStG durch Bescheid vom 04.08.2010 mit der Begründung ab, das Produkt "Postzustellungsauftrag" sei keine Post-Universaldienstleistung.

Die gegen die Ablehnung gerichtete Klage vor dem Finanzgericht Köln blieb ohne Erfolg.

Im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens legte der BFH dem EuGH die Fragen vor, ob ein Unternehmer, der die förmliche Zustellung von Schriftstücken nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften durchführt, ein 'Anbieter von Universaldienstleistungen' ist, der die Leistungen des postalischen Universaldienstes ganz oder teilweise erbringt, und ob diese Leistungen umsatzsteuerfrei sind.

Der EuGH stellte in seinem Urteil klar, dass Anbieter von Briefzustelldienstleistungen, die in ihrer Eigenschaft als Inhaber einer nationalen Lizenz, die ihnen die Erbringung dieser Dienstleistung gestattet, verpflichtet sind, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, als 'Universaldiensteanbieter' im Sinne dieser Bestimmungen anzusehen sind, so dass solche förmlichen Zustellungen als von 'öffentlichen Posteinrichtungen' erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL von der Umsatzsteuer zu befreien sind (vgl. unseren Blogbeitrag).

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision des Steuerpflichtigen im Anschluss an das Urteil des EuGH stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

Der Kläger hat Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung nach § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG. Bei den von A ausgeführten Postzustellungsaufträgen handelt es sich um Universaldienstleistungen.

Nach dem Urteil des EuGH, dem sich der BFH anschließt, hat sich A verpflichtet, mit der Ausführung von Postzustellungen derartige Universaldienstleistungen zu erbringen. Denn wie in der Vorentscheidung festgestellt, hat A sich gem. § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG über ihre Muttergesellschaft gegenüber dem BZSt verpflichtet, flächendeckende förmliche Zustellungen von Schriftstücken auf der Grundlage der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, entsprechend der seitens der Bundesnetzagentur zu diesem Zweck erteilten Lizenzen im gesamten Bundesgebiet anzubieten.

Es besteht ein Anspruch auf Erteilung der Bescheinigung, denn weitere Voraussetzungen stellt § 4 Nr. 11b Satz 2 UStG nicht auf. Im Übrigen wäre die Versagung der Steuerbefreiung für Universaldienstleistungen aufgrund von Besonderheiten des nationalen Rechts ein Verstoß gegen das Unionsrecht (EuGH-Urteil Winterhoff u.a., EU:C:2019:860, Rz 66). Die Bescheinigung ist bei Vorliegen von Universaldienstleistungen daher zwingend zu erteilen.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 6. Februar 2020 (V R 37/19 (V R 8/16)), veröffentlicht am 28. Mai 2020; die Entscheidung ist teilweise inhaltsgleich mit V R 36/19 (V R 30/15).

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