EuGH: Vorsteuerabzug bei nicht rechtzeitigem Ausüben des Zuordnungswahlrechts

In seinen Empfehlungen anlässlich zweier Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzhofes hält der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen die Versagung des Vorsteuerabzugs mangels rechtzeitig gegenüber dem Finanzamt dokumentierter Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen nicht mit dem Unionsrecht vereinbar.

Hintergrund

In den beiden Vorabentscheidungsersuchen des BFH (XI R 3/19 und XI R 7/19; siehe Blogbeitrag vom 31. Januar 2020) geht es um die Folgen der Zuordnungsentscheidung für das Recht auf Vorsteuerabzug gemäß den Art. 167 und 168 Buchst. a MwStRL. Die Fragen betreffen die Vereinbarkeit der nach deutschem Recht de facto bestehenden Ausschlussfrist für die Mitteilung der Zuordnungsentscheidung an die deutschen Steuerbehörden, deren Ablauf nach der Rechtsprechung des BFH zum Verlust des Vorsteuerabzugsrechts führt, mit dem Unionsrecht. Die gleiche Folge ergibt sich offenbar aus der Rechtsprechung BFH, wonach mangels ausreichender gegenteiliger Indizien eine Vermutung für die Zuordnung gemischt genutzten Vermögens zum Privatvermögen eines Steuerpflichtigen spricht.

Vorlagefragen:

Steht Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 MwStRL einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der das Recht auf Vorsteuerabzug in den Fällen, in denen ein Zuordnungswahlrecht beim Leistungsbezug besteht, ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine für die Finanzbehörden erkennbare Zuordnungsentscheidung abgegeben wurde?

Steht Art. 168 Buchst. a einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird beziehungsweise eine dahingehende Vermutung besteht, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine unternehmerische Zuordnung vorliegen?

Empfehlung des Generalanwalts

Der Generalanwalt schlägt vor, die Vorlagefragen des BFH wie folgt zu beantworten:

Unter den Umständen der Ausgangsverfahren ist eine nationale Rechtsprechung, die dem Vorsteuerabzugsrecht entgegensteht, wenn der Unternehmer ein Wahlrecht bezüglich der Zuordnung einer Lieferung zum Zeitpunkt des Erwerbs hat, den Steuerbehörden aber bis zum Ablauf der gesetzlichen Frist für die Abgabe der jährlichen Umsatzsteuererklärung keine für sie erkennbare Zuordnungsentscheidung mitgeteilt wurde, mit Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 MwStRL unvereinbar.

Nach Meinung des Generalanwalts geht die Ahndung der Nichtbeachtung von Pflichten aus dem Bereich steuerlicher Aufzeichnungen und Erklärungen durch den Steuerpflichtigen mittels Versagung des Abzugsrechts über das hinaus, was zur Erreichung des Ziels, die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Pflichten zu gewährleisten, erforderlich ist, da das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, erforderlichenfalls als verhältnismäßige Alternativen zum Wegfall des Abzugsrechts eine Geldbuße oder eine finanzielle Sanktion zu verhängen, die in angemessenem Verhältnis zur Schwere des Verstoßes steht.

Ebenso, so der Generalanwalt weiter, sei eine nationale Rechtsprechung, nach der eine Zuordnung zum privaten Vermögen unterstellt oder vermutet wird, wenn keine (ausreichenden) Indizien für eine Zuordnung zum Unternehmen vorliegen, mit Art. 168 Buchst. a MwStRL unvereinbar.

Fundstelle

Schlussanträge vom 20. Mai 2021 in den verbundenen Rechtssachen Finanzamt N (C‑45/20) und Finanzamt G (C‑46/20)

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