EuGH zum Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding

Der Europäische Gerichtshof hat heute entschieden, dass einer Holdinggesellschaft, die entgeltliche Ausgangsumsätze an Tochtergesellschaften ausführt, das Recht auf Vorsteuerabzug dann nicht zusteht, wenn die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holdinggesellschaft, sondern mit den weitgehend steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen.

Hintergrund

Im vorliegenden Fall geht es um das Recht der W-GmbH (Klägerin), einer gemischten Holding, die eine Kontrollbeteiligung an den Tochtergesellschaften X‑KG und Y‑KG (TG) hält, die Bauobjekte errichteten und die einzelnen Wohneinheiten steuerfrei veräußerten. Die Klägerin hatte den TG unentgeltliche (im Wesentlichen gebäudebezogene) Dienstleistung erbracht, sowie auch entgeltlich Dienstleistungen der Verwaltung und Buchführung, aufgrund dessen sie die Vorsteuer auf den Erwerb von Gegenständen und Dienstleistungen, die sie als Gesellschafterbeitrag für die weitgehend mehrwertsteuerfreien gewerblichen Tätigkeiten der Tochtergesellschaften verwendet, abziehen möchte.

Der EuGH war durch das Vorabentscheidungsersuchen des BFH ersucht, zu klären, ob nach Art. 168 Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 der Mehrwertsteuerrichtlinie hier ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht. - Für den Fall, dass diese Frage bejaht wird, soll auch geklärt werden, ob ein solcher Vorgang eventuell als missbräuchlich angesehen werden kann, da die Tochtergesellschaften nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt wären, wenn sie die betreffenden Gegenstände und Dienstleistungen nicht von der Holdinggesellschaft bezogen, sondern unmittelbar erworben hätten.

Der Generalanwalt (GA) hatte sich in seinen Schlussanträgen vom 3. März 2022 in der vorgegebenen Konstellation gegen einen Vorsteuerabzug ausgesprochen Für den Fall, dass der Gerichtshof die erste Vorlagefrage bejahen sollte, geht der GA im Hinblick auf die Beantwortung der zweiten Vorlagefrage von einem Rechtsmissbrauch aus (hierzu: unser Blogbeitrag vom 3. März 2022).

Entscheidung des EuGH

(Tenor) „Einer Holdinggesellschaft, die steuerpflichtige Ausgangsumsätze an Tochtergesellschaften ausführt, steht das Recht auf Vorsteuerabzug für Leistungen, die sie von Dritten bezieht und gegen die Gewährung einer Beteiligung am allgemeinen Gewinn in die Tochtergesellschaften einlegt, nicht zu, wenn erstens die bezogenen Eingangsleistungen nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holdinggesellschaft, sondern mit den weitgehend steuerfreien Tätigkeiten der Tochtergesellschaften stehen, zweitens diese Eingangsleistungen in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und drittens diese Leistungen nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft gehören.“

In Anbetracht dieser Antwort auf die erste Frage war die zweite Frage (eines mögliche Rechtsmissbrauchs) nicht zu beantworten.

Die Luxemburger Richter führten in ihrem Urteil u. a. weiter aus:

Ein Recht auf Vorsteuerabzug werde zwar auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. In beiden Fällen sei es erforderlich, so der EuGH, dass die Kosten der Eingangsgegenstände oder Eingangsleistungen jeweils Eingang in den Preis bestimmter Ausgangsumsätze oder in den Preis der Gegenstände oder Dienstleistungen finden, die der Steuerpflichtige im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit liefert bzw. erbringt. Wenn aber von einem Steuerpflichtigen bezogene Gegenstände oder Dienstleistungen mit steuerbefreiten Umsätzen zusammenhängen oder nicht vom Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer erfasst werden, kann es weder zur Erhebung der Steuer auf der folgenden Stufe noch zum Abzug der Vorsteuer kommen.

Zur Frage, ob die von W bezogenen Aufwendungen zu deren allgemeinen Aufwendungen gehören, so dass sie Kostenelemente der von ihr gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen darstellen und daher direkt und unmittelbar mit ihrer wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammenhängen, weist der EuGH darauf hin, dass es sich bei diesen Dienstleistungen um den Gegenstand der Beiträge handelt, die W als Gesellschafterin an ihre Tochtergesellschaften X und Y geleistet hat. Insofern bestehe kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Kosten der von W bezogenen Dienstleistungen und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit.

Auch den Einwand der W lässt der EuGH nicht geltend, dass nämlich ihre Tochtergesellschaften nur dank ihrer Gesellschafterbeiträge ihre eigenen Tätigkeiten aufrechterhalten und infolgedessen Bedarf für ihre Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen haben könnten. Diese Umstände belegten keinen direkten und unmittelbaren Zusammenhang: Das Ziel des Bezugs der Eingangsleistungen bestand darin, einen Gesellschafterbeitrag zu ermöglichen, der nicht als ein Umsatz angesehen werden kann, der seinen ausschließlichen und unmittelbaren Entstehungsgrund in der wirtschaftlichen Tätigkeit von W hat.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 8. September 2022 (C‑98/21), Finanzamt R

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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