Update: EuGH-Vorlage - BFH sieht weiteren Klärungsbedarf zur Nichtsteuerbarkeit der organschaftlichen Innenumsätze

Mit einem neuerlichen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH soll im Hinblick auf die umsatzsteuerliche Organschaft geklärt werden, ob an der bisherigen Annahme der Nichtsteuerbarkeit sogenannter Innenumsätze weiter festzuhalten ist. Es handelt sich um das bereits zweite Vorabentscheidungsersuchen in dieser Sache, bei dem es nunmehr um eine Frage geht, die aufgrund der ersten Entscheidung des EuGH in diesem Verfahren zweifelhaft geworden ist.

Hintergrund

Umsätze zwischen den Mitgliedern einer Organschaft unterliegen nicht der Umsatzsteuer, weil die Organgesellschaft als "unselbständiger" Teil im Gesamtunternehmen des übergeordneten Organträgers angesehen wird. Zweifel an dieser Betrachtung ergeben sich daraus, dass der EuGH die Organgesellschaft als selbständig ansieht und die Organschaft nach seiner Rechtsprechung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Letzteres könnte zu bejahen sein, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger, wie im konkreten Streitfall, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Das zweite (aktuelle) Vorabentscheidungsersuchen in diesem Rechtsstreit bezieht sich auf entgeltliche Leistungen zwischen den Personen, die i.S. von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG eng miteinander verbunden sind und damit auf Umsätze zwischen Mitgliedern einer Mehrwertsteuergruppe (sogenannte Innenumsätze). Zu entscheiden ist, ob derartige Innenumsätze dem Anwendungsbereich der Steuer i.S. von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG unterliegen und sie daher steuerbar sind oder ob sie dem Anwendungsbereich nicht unterliegen und sie daher als nicht steuerbar anzusehen sind.

Durch das frühere (erste) Vorabentscheidungsersuchen war zu klären, ob die nationale Regelung zur Organschaft überhaupt unionsrechtskonform ist und ob es zu einer Entnahmebesteuerung kommt. Nachdem der EuGH diese Fragen in seinem Urteil Finanzamt T geklärt hat und der BFH im Hinblick auf dieses Urteil davon ausgeht, dass die nationale Regelung zur Organschaft dem Grunde nach unionsrechtskonform ist und es im Streitfall zu keiner Entnahmebesteuerung kommt, stellen sich aber aufgrund der EuGH-Urteile Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie vom 01.12.2022 - C-141/20 und Finanzamt T (hierzu: unser Blogbeitrag vom 2. Dezember 2022) nunmehr die jetzigen Vorlagefragen, mit denen für den Streitfall zu klären ist, ob Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung dem Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer unterliegen und damit steuerbar sind.

Sollte der EuGH entscheiden, dass Innenumsätze entgegen der ständigen BFH-Rechtsprechung steuerbar sind, hätte dies weitreichende Folgen. Umsatzsteuerrechtlich dient die Organschaft als Gestaltungsinstrument für Unternehmer, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind (z.B. Banken und Versicherungen, Unternehmer im Gesundheits- und Sozialwesen und im Bildungsbereich sowie Vermieter von Wohnungen). Nichtabziehbare Vorsteuerbeträge lassen sich bislang für derartige Unternehmen dadurch vermeiden, dass sie mit Dienstleistern Organschaften begründen, so dass die bezogenen Leistungen nicht steuerbar sind.

Update (15. Juni 2023)

Das Urteil V R 20/22 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2023, Seite 537.

Update (11. April 2023)

Das Aktenzeichen beim EuGH zum Vorabentscheidungsersuchen des BFH lautet C-184/23, Finanzamt T II.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 26. Januar 2023 (V R 20/22 (V R 40/19)), veröffentlicht am 23. März 2023, vgl. die Pressemitteilung 019/23.

Eine englische Zusammenfassung des Urteils finden Sie hier.

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