EuGH zur Begründung einer festen Niederlassung mittels Dienstleistungsvertrag
Der Europäischen Gerichtshof war in einem rumänischen Vorlagefall unter anderem mit der Frage befasst, ob eine deutsche Gesellschaft qua Dienstleistungsvertrag mit einer rumänischen Konzerngesellschaft dort über eine feste Niederlassung für Zwecke der Mehrwertsteuer verfügt. Im Ergebnis geht der EuGH davon aus, dass die Annahme einer festen Niederlassung der deutschen Gesellschaft in Rumänien ausscheidet.
Hintergrund
Im Streitfall war die Frage relevant, ob eine rechtlich selbstständige Gesellschaft eine feste Niederlassung eines anderen, ausländischen Unternehmens begründen kann. Der Streitfall betrifft konkret Leistungen, die eine rumänische Konzerngesellschaft („Adient RO“) an eine deutsche Konzerngesellschaft („Adient DE“) erbrachte, und die in Rumänien wegen einer angenommenen festen Niederlassung nachträglich umsatzsteuerpflichtig werden sollen. Zu diesem Komplex hatte das zuständige rumänische Gericht dem EuGH zahlreiche Fragen vorgelegt.
Die Generalanwältin kam in ihren Schlussanträgen u.a. zu dem Ergebnis, dass eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat durch eine andere Konzerngesellschaft keinesfalls nur aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Verflechtung begründet werden könne. Mehr zum Sachverhalt und zu den Schlussanträgen im Blogbeitrag vom 5. Februar 2024.
Entscheidung des EuGH
Die insgesamt acht Vorlagefragen hat der EuGH in drei Gruppen zusammengefasst und gelangt dabei zu den nachfolgenden Ergebnissen.
In Beantwortung der ersten beiden Fragen stellt der EuGH fest, dass im Hinblick auf die Bestimmung des Ortes dieser Dienstleistungen nicht davon auszugehen ist, dass Adient DE in Rumänien allein deshalb über eine feste Niederlassung verfügt, weil die beiden Unternehmen derselben Unternehmensgruppe angehören oder zwischen ihnen ein Dienstleistungsvertrag besteht (Rz. 38 – 54 im Urteil).
Hinsichtlich der dritten und siebten Frage hält es der EuGH für die Bestimmung des Ortes der Dienstleistungen nicht für relevant, dass ein mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen erbrachte Verarbeitungsdienstleistungen empfängt, in diesem letztgenannten Mitgliedstaat über eine Struktur verfügt, die an der Lieferung der Fertigprodukte aus diesen Verarbeitungsdienstleistungen beteiligt ist (Rz. 55 – 74).
Zu den Fragen 4 bis 6 und 8: Ein mehrwertsteuerpflichtiges Unternehmen, das den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat hat (hier: Adient DE) und von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen (Adient RO) erbrachte Dienstleistungen empfängt, hat keine feste Niederlassung in Rumänien, wenn sich die personelle und technische Ausstattung, über die es in diesem Mitgliedstaat verfügt, nicht von derjenigen unterscheidet, mit der die Dienstleistungen an das erstgenannte Unternehmen erbracht werden, oder wenn diese personelle und technische Ausstattung nur Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten sicherstellt (Rz. 75 – 81).
Das Vorliegen einer festen Niederlassung des Dienstleistungsempfängers, so der EuGH hierzu weiter, setze voraus, dass es möglich ist, die personelle und technische Ausstattung zu identifizieren, die sich von derjenigen unterscheidet, die das dienstleistende Unternehmen für die Erbringung seiner eigenen Dienstleistungen einsetzt, und die dem Empfänger dieser Dienstleistungen zur Verfügung gestellt wird, um deren Empfang und Verwendung entsprechend seinem eigenen Bedarf sicherzustellen.
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 11. Juni 2024 in der Rechtssache C‑533/22 Adient.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.