Auswirkungen des Koalitionsbruchs zwischen den Regierungsfraktionen auf die Steuergesetzgebung
Die Regierungskoalition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (“Ampelkoalition”) ist in der vergangenen Woche (6. November 2024) auseinandergebrochen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat in der gestrigen Sitzung des Bundestages bestätigt, die Vertrauensfrage im Bundestag bereits am 11. Dezember 2024 stellen zu wollen. Der Bundestag soll am 16. Dezember 2024 über diese beraten. Wird dem Bundeskanzler das Vertrauen entzogen, soll der Bundestag zum 25. Dezember 2024 aufgelöst werden. Die vorgezogene Bundestagswahl soll am 23. Februar 2025 stattfinden.
Nach dem Ende der Ampelkoalition ist fraglich, welche steuerlichen Gesetzesvorhaben in dieser Legislaturperiode tatsächlich (noch) umgesetzt werden (können). Ausgehend vom Verfahrensstand lassen sich die Verfahren in drei Fallgruppen einteilen:
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Umsetzung wahrscheinlich: vom Bundestag bereits beschlossene Gesetze
Zunächst gilt die Umsetzung von solchen Verfahren als sicher, die bereits vom Bundestag beschlossen wurden oder bei denen eine Zustimmung des Bundestages nicht erforderlich ist. Über diese Verfahren muss nur noch der Bundesrat abschließend befinden.
In diese Fallgruppe sind insbesondere die folgenden Gesetze einzuordnen:
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Jahressteuergesetz 2024: Das Jahressteuergesetz 2024 wurde am 18.10.2024 vom Bundestag beschlossen (vgl. zum Inhalt unseren Newsflash zum Bundestagsbeschluss v. 18.10.2024). Das Gesetz steht für den 22.11.2024 auf der Tagesordnung des Bundesrates. Die Ausschüsse des Bundesrates (vgl. hierzu BR-Drs. 529/1/24) empfehlen dem Bundesrat dem Gesetz zuzustimmen.
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Gesetz zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024: Zwar liegen die Empfehlungen der Fachausschüsse des Bundesrates zu dem Gesetz noch nicht vor. Allerdings hatte der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (vgl. hierzu BR-Drs. 375/24 (B)) verlauten lassen, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu haben. Das Gesetz steht ebenfalls für den 22.11.2024 auf der Tagesordnung des Bundesrates.
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Umsetzung unwahrscheinlich: in den Bundestag eingebracht, jedoch noch nicht abschließend beraten (Diskontinuität)
Die Umsetzung von Verfahren, die noch nicht abschließend vom Bundestag beraten wurden, ist im Moment sehr unwahrscheinlich. So hat nicht zuletzt der Finanzausschuss des Bundestages in seiner gestrigen Sitzung auf Antrag der Regierungsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie der CDU/CSU-Fraktion unter Zustimmung der FDP beschlossen, alle unter seiner Federführung stehenden Beschlüsse über Gesetzesentwürfe und Anträge (bis auf Weiteres) zu vertagen.
In diese Fallgruppe sind insbesondere die folgenden Gesetze einzuordnen:
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Steuerfortentwicklungsgesetz: Die Umsetzung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Steuerrechts und zur Anpassung des Einkommensteuertarifs (Steuerfortentwicklungsgesetz - SteFeG) in seiner derzeitigen Form (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 20/12778) ist sehr unwahrscheinlich. Selbst wenn der Finanzausschuss des Bundestages den Weg für weitere Beratungen zu dem Gesetz nach der Vertrauensfrage durch den Bundeskanzler wieder freimachen sollte, ist dem Vernehmen nach damit zu rechnen, dass jedenfalls die umstrittene Einführung einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen aus dem Gesetz gestrichen würde und – wenn überhaupt – nur die von allen Fraktionen mehrheitlich befürworteten Maßnahmen (u.a. Anhebung von Grundfreibetrag und Tarifeckwerten in § 32a EStG für die VZ 2025 und 2026, weitere Anhebung des Kinderfreibetrags, Anhebung des Kindergelds, Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsbedingungen, Ausweitung der Forschungszulage durch Erhöhung der Bemessungsgrundlage, weitere steuerliche Förderung der E-Mobilität) umgesetzt würden. Die Einführung einer Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen wurde seitens der FDP-Fraktion bereits vor den damaligen Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen kritisiert (vgl. hierzu etwa DStV-Interview). Auch die Fraktion der CDU/CSU betonte ihre diesbezügliche Ablehnung (vgl. BT-Drs. 20/20188 sowie CDU/CSU-Positionspapier) bereits mehrfach.
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Gesetz zur Modernisierung und zum Bürokratieabbau im Strom- und Energiesteuerrecht: Das Gesetz konnte am 18.10.2024 mangels Beschlussfähigkeit des Bundestages nicht verabschiedet werden. Für den 7.11.2024 wurde es von der Tagesordnung des Bundestages gestrichen. Der Finanzausschuss hatte sich bereits abschließend zu dem Gesetz geäußert und die Zustimmung empfohlen. Es bleibt abzuwarten, ob das Gesetz vor dem Hintergrund des fortgeschrittenen Verfahrens kurzfristig wieder auf die Tagesordnung des derzeitigen Bundestages gesetzt wird.
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Restrukturierungsfonds-Übertragungsgesetz: Der Finanzausschuss des Bundestages hat sich mit dem Gesetz noch nicht abschließend befasst.
Sollte ein Gesetzesbeschluss durch den derzeitigen Bundestag nicht bis zu dessen (vorzeitiger) Auflösung vorliegen, muss das entsprechende Verfahren in Gänze erneut in den neuen Bundestag eingebracht werden (Diskontinuitätsprinzip).
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Umsetzung unwahrscheinlich: Diskussions- bzw. Referentenentwurf
Die Umsetzung von Verfahren in dieser Legislatur, die bisher noch gar nicht in den Bundestag einbracht wurden, ist schlicht aus zeitlichen Gründen nahezu ausgeschlossen.
In diese Fallgruppe gehören u.a.:
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Gesetz zur Anpassung des Mindeststeuergesetzes und weiterer Maßnahmen (Mindeststeueranpassungsgesetz – MinStGAnpG) siehe unseren Newsflash vom 21.08.2024)
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DAC8-Umsetzungsgesetz (siehe unseren Blogbeitrag vom 6.11.2024)
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Zweites Zukunftsfinanzierungsgesetz (siehe unseren Blogbeitrag vom 28.08.2024)
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E-Fuels-only-Gesetz (siehe den Referentenentwurf vom 8.10.2024)
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Gesetz zur Förderung von Investitionen von Fonds in erneuerbare Energien und Infrastruktur (siehe den Diskussionsentwurf vom 21.5.2024)