BMF legt Entwurf zur Anpassung der steuerlichen Vollverzinsung vor

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat einen Referentenentwurf (RefE) mit Stand vom 14.2.2022 veröffentlicht, mit dem insbesondere die vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geforderte rückwirkende Neuregelung des gesetzlichen Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a i.V.m. § 238 der Abgabenordnung (AO) umgesetzt werden soll.

In seinem Beschluss vom 8. Juli 2021 (vgl. unseren Blogbeitrag zu der Entscheidung) hatte das BVerfG dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31.7.2022 eine verfassungskonforme Neuregelung für Verzinsungszeiträume ab 2019 zu schaffen.

Mit dem nun vorliegenden Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung soll der bisher maßgebliche Zinssatz für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen von 0,5% pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem 1. Januar 2019 rückwirkend auf 0,15% pro Monat (das heißt 1,8% pro Jahr) abgesenkt und damit an die verfassungsrechtlichen Vorgaben angepasst werden, § 238 Abs. 1a AO-E.

Wenn für einen Zinslauf unterschiedliche Zinssätze maßgeblich sind (z. B. Zinslauf vom 1.4.2018 an), soll nach § 238 Abs. 1b AO-E eine Aufteilung in Teilverzinsungszeiträume erfolgen.

Um die Angemessenheit des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen auch für die Zukunft sicherzustellen, soll er unter Berücksichtigung der Entwicklung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB alle drei Jahre mit Wirkung für nachfolgende Verzinsungszeiträume evaluiert werden (erstmals zum 1. Januar 2026), wobei eine Anpassung des Zinssatzes nur erfolgen soll, wenn der zum 1.1. des Jahres der Evaluation geltende Basiszinssatz um mehr als einen Prozentpunkt von dem bei der letzten Festlegung oder Anpassung des Zinssatzes nach § 238 Abs. 1a AO geltenden Basiszinssatz abweicht, § 238 Abs. 1c AO-E. Die Einführung eines flexiblen Zinssatzes wurde ausweislich der Begründung zum RefE unter Hinweis auf eine deutlich schwierigere Handhabbarkeit und Planbarkeit insb. für längere Zinsberechnungszeiträume verworfen.

Die vorgenannten Neuregelungen sollen grundsätzlich in allen am Tag der Verkündung des Änderungsgesetzes anhängigen Verfahren anzuwenden sein. Dies jedoch ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Vertrauensschutzregelung in § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO, nach der bei Änderung oder Aufhebung eines Zinsbescheids die Feststellung der Nichtigkeit eines Gesetzes durch das BVerfG nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden darf. Ferner soll bei der Festsetzung von Erstattungszinsen in Änderungsfällen (§ 233a Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 AO) für die Minderung von Nachzahlungszinsen der Zinssatz maßgeblich sein, der bei der ursprünglichen Festsetzung der Nachzahlungszinsen zugrunde gelegt wurde. Die Vertrauensschutzregelung in § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO soll dabei mit der Maßgabe anwenden sein, dass sich durch das Gesamtergebnis der nach den vorstehenden Grundsätzen neu zu berechnenden Zinsen im Vergleich zur letzten Zinsfestsetzung vor Anwendung dieser Grundsätze keine Schlechterstellung des Zinsschuldners ergeben darf.

In der Begründung zum RefE wird erneut darauf hingewiesen, dass sich die Entscheidung des BVerfG ausdrücklich nicht auf andere Verzinsungstatbestände nach der Abgabenordnung zulasten der Steuerpflichtigen erstreckt, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO. Die Frage, ob und inwieweit auch für andere Zinsen nach der AO oder den Einzelsteuergesetzen als Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO sowie für Säumniszuschläge nach § 240 AO eine Neuregelung des Zinssatzes erfolgen soll, bedürfe noch eingehender Prüfung und solle nicht in diesem Gesetz beantwortet werden.

Die Neuregelungen sollen – den Vorgaben des BVerfG entsprechend – spätestens am 31.7.2022 in Kraft treten.

Neben den dargestellten Regelungen sieht der Entwurf weitere Änderungen in der AO vor. U.a. sollen in den §§ 138e Abs. 3 und 138h Abs. 2 AO kleinere Anpassungen an die Vorgaben des Unionsrechts sowie weitere Änderungen in den §§ 233, 233a und 239 AO vorgenommen werden.

Fundstelle

Referentenentwurf für ein „Zweites Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ (Stand 14. Februar 2022), veröffentlicht auf der Homepage des BMF.

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