Anfangsverdacht aus 2023 erhärtet: Bundeskartellamt prüft rechtswidrige Preisanpassungen mehrerer Fernwärmeversorger

Ende 2023 hatte das Bundeskartellamt Verfahren gegen insgesamt sieben Stadtwerke und Fernwärmeversorger in vier Bundesländern wegen des Verdachts auf missbräuchlich überhöhte Preissteigerungen im Zeitraum von 2021 bis 2023 eröffnet. Dabei wurde insbesondere die Anwendung von sogenannten Preisanpassungsklauseln geprüft. Diese verwenden Fernwärmeversorger, um sowohl die allgemeine Marktentwicklung als auch die Kosten für diejenige Energie, die bei der eigenen Wärmeerzeugung eingesetzt wird, abzubilden.

Verfasst von Susanne Zühlke

Für die Ausgestaltung solcher Klauseln in Fernwärmelieferungsverträgen mit privaten Endkund:innen gibt es rechtliche Vorgaben, die in § 24 Abs. 4 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) enthalten sind. Danach dürfen Preisanpassungsklauseln nur so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch den Versorger (Kostenelement) als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt (Marktelement) angemessen berücksichtigen. Die Preisanpassungsklauseln werden in der Regel in Verbindung mit öffentlich verfügbaren Preisindizes für die jeweilige Energieform (z. B. Gas oder Kohle, aber auch Holz, Müll, erneuerbare Energien oder Abwärme) verwendet.

Diese Vorgaben hat der Bundesgerichtshof in den letzten Jahren in zahlreichen Entscheidungen konkretisiert. Danach darf das Kostenelement nur dann an einen Index anknüpfen, wenn sich die konkreten Energiebezugskosten des Versorgers im Wesentlichen – wenn auch mit gewissen Spielräumen – in gleicher Weise entwickeln wie der Index (BGH, Urt. v. 13. Juli 2011, VIII ZR 339/10, Rn. 25). Das sogenannte Marktelement, das die Kosten der Endverbraucher:innen für einen Mix verschiedener Energieträger bzw. Heizungsarten abbilden soll, muss grundsätzlich den gleichen Rang haben wie das Kostenelement; Abstufungen sind nur im Rahmen der Angemessenheit möglich (vgl. BGH, Urt. v. 18. Dezember 2019, VIII ZR 209/18, Rn. 22).

Eine Nichteinhaltung dieser Vorgaben kann einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Missbrauchsverbot des § 19 GWB darstellen, denn Fernwärmeversorger verfügen in ihren jeweiligen Netzgebieten über eine Monopolstellung. Endverbraucher haben keine Wechselmöglichkeit mehr, sobald sie sich einmal für das Heizsystem Fernwärme entschieden haben. Das Bundeskartellamt untersucht insbesondere solche Fälle, in denen der Verdacht besteht, dass bereits durch die Auswahl der Preisindizes die tatsächliche Entwicklung der Kosten nicht angemessen abgebildet, sondern deutlich überzeichnet wird. Einzelne Klauseln knüpfen beispielsweise ausschließlich an einen Erdgas-Index an, während der Versorger tatsächlich überwiegend andere Energieträger nutzt. Zudem wird geprüft, ob und inwieweit durch eine zu geringe Gewichtung der allgemeinen Preisentwicklung im Wärmebereich die jeweils konkret verwendete Preisanpassungsklausel im Ergebnis ebenfalls überschießende Preissteigerungen zur Folge hatte.

Nach den bisherigen Ermittlungen, mit Stand vom 20. März 2025, kommt das Bundeskartellamt bei bislang vier Netzen zu der vorläufigen Einschätzung, das Marktelement sei entgegen den rechtlichen Vorgaben zum Nachteil der Verbraucher:innen zu niedrig gewichtet. Zudem bildet das in den Preisanpassungsklauseln verwendete Kostenelement in den jeweils untersuchten Zeiträumen nach Ansicht des Bundeskartellamtes bei drei der vier betroffenen Netze die Entwicklung der tatsächlichen Kosten des Versorgers bei der Wärmeerzeugung bzw. beim Wärmebezug nicht korrekt ab. So seien teilweise kostendämpfende Komponenten nicht berücksichtigt worden. Nach den vorläufigen Berechnungen des Bundeskartellamtes sollen die untersuchten Preisanpassungsklauseln insgesamt dazu geführt haben, dass Preissteigerungen im jeweiligen Untersuchungszeitraum höher ausgefallen sind, als gesetzlich zulässig gewesen wäre.

Die betroffenen Unternehmen können nun Stellung nehmen. Alle Fernwärmeversorger sollten die Verfahren sorgfältig verfolgen und überprüfen, ob etwa verwendete Preisanpassungsklauseln zu Beanstandungen Anlass geben könnten. Sollte das Bundeskartellamt auch in der abschließenden Entscheidung einen Kartellrechtsverstoß feststellen, so kann es erhebliche Bußgelder verhängen. Zudem könnten etwa betroffene Fernwärmekunden ggf. Schadensersatzansprüche geltend machen.

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