Koalitionsvertrag – Aus alt mach neu
Am 8 April 2025 haben CDU/CSU und SPD den Entwurf ihres Koalitionsvertrages vorgelegt. Unter dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ widmen sich die künftigen Regierungsparteien zentralen Weichenstellungen für die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Bundesrepublik. Dabei werden die umfangreichen Herausforderungen in Bereichen wie Wirtschaftspolitik, Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit benannt sowie Reformen, Investitionen und Gesetzesvorhaben skizziert. Der Vertrag adressiert auch Teilbereiche des Vergabe-, Kartell- und Außenwirtschaftsrechts. Die wesentlichen Vorhaben fassen wir im nachfolgenden Betrag zusammen.
Verfasst von Dr. Ilya Levin und Georg Friedrich Hensel
Vergaberecht – Wiederbelebung des Vergabetransformationsgesetzes?
Der Teil des Koalitionsvertrages, der sich dem Vergaberecht als solchem widmet, klingt in den Ohren eines aufmerksamen Lesers wie eine Reanimation des Vergabetransformationsgesetzes: Vereinfachung, Beschleunigung und Digitalisierung stehen dabei im Vordergrund.
1. Nationales Vergaberecht
Vorgesehene Instrumente zur Verwirklichung dieser Ziele sollen dabei sein:
- Sektorale Ausnahmetatbestände, insbesondere in Fragen der nationalen Sicherheit und für Leitmärkte emissionsarmer Produkte in der Grundstoffindustrie mit einem Pionierfeld für die Deutsche Bahn,
- Vereinheitlichung der unterschwelligen Vergabeverfahren,
- Erhöhung der Schwellenwerte für Direktvergaben und freihändige Vergaben,
- Heraufsetzung der Wertgrenze bei Direktaufträgen für Liefer- und Dienstleistungen auf nunmehr 50.000 Euro statt wie zuvor 15.000 Euro und auf 100.000 Euro für Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung.
2. EU-Vergaberecht
Einsatz will die Koalition auch auf EU-Ebene bewirken: Zum einen sollen die EU-Schwellenwerte erhöht werden. Zum anderen möchte sich die neue Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Planungsleistungen bei der Berechnung des Auftragswerts für Bauleistungen nicht berücksichtigt werden – eine Regelung, die öffentliche Auftraggeber seit längerem fordern.
3. Grundsatz der Losvergabe
Das Gebot der Losvergabe soll zur Wahrung der Interessen der mittelständischen Unternehmen unverändert fortbestehen.
4. Strategische Beschaffungen
Ein weiteres Ziel ist es, das öffentliche Beschaffungswesen effizienter und moderner zu gestalten, indem ein „strategisches Beschaffungsmanagement“ eingeführt werden soll.
Dieses beinhaltet folgende Instrumente:
- Behörden auf bestehende Rahmenverträge und zentrale Einkaufsplattformen zurückzugreifen.
- Die Bundesplattform „Kaufhaus des Bundes“ soll zu einem digitalen Marktplatz für alle öffentlichen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) ausgebaut werden, während die einzelnen Vergabeplattformen zusammengeführt werden.
- Daneben soll der IT-Einkauf des Bundes zentral gesteuert werden, um Abhängigkeiten von großen Anbietern zu verringern und den Digitalstandort Deutschland zu fördern.
- Bieter sollen ihre Eignung einfach, digital und mittelstandsfreundlich nachweisen können, etwa durch Eigenerklärungen oder geprüfte Systeme.
Kartellrecht – der Wille ist da, aber gibt es auch einen Weg?
Auch im Rahmen des Kartellrechts liegt der Fokus auf Beschleunigung und Digitalisierung. Hier wird aber von den Koalitionspartnern eindeutig das „Wollen“ in den Vordergrund gestellt. So soll z. B. der europäische Protektionismus stärker berücksichtigt werden: Die europäische Souveränität und Sicherheit im europäischen Wettbewerbsrecht sollen insbesondere im Rahmen von Fusionskontrollen größeren Einfluss haben.
Konkrete Maßnahmen finden sich für das Thema Künstliche Intelligenz: Im Bereich der aktiven Planung wird eine neue Expertenkommission „Wettbewerb und Künstliche Intelligenz“ beim Bundeswirtschaftsministerium eingerichtet.
Ferner soll das Wettbewerbsrecht enger an das Medienkonzentrationsrecht geknüpft werden, um u.a. die Prüfung von Fusionen zwischen Medienunternehmen und Anbietern medienrelevanter Infrastruktur zu gewährleisten. Die Normierung einer wettbewerbsrechtlichen Bereichsausnahme soll die Kooperationen sowohl im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als auch von privaten Medienhäusern erleichtern.
Außenwirtschaftsrecht – im Westen nichts Neues?
Der Koalitionsvertrag sieht eine Novelle des Außenwirtschaftsgesetzes vor. Diese ist eine Reaktion auf bekannte Forderungen nach mehr Flexibilität und Effizienz in den Investitionsprüfverfahren. Dementsprechend liegt der Fokus auf der Beschleunigung und Vereinfachung von Prüfverfahren. Daneben steht die Wahrung der nationalen Interessen im Bereich kritischer Infrastrukturen, indem widerstrebende ausländische Investitionen verhindert werden sollen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Cyber-Sicherheit des Mittelstandes, wobei die Koalitionspartner auf Aufklärung und Unterstützungsmaßnahmen setzen.
Daneben ist eine neue Exportstrategie geplant. Diese sieht lediglich stichprobenartige Kontrollen und die Abschaffung bestimmter Ausfuhrgenehmigungen geprägt ist.
Fazit
Während vor allem im Vergaberecht neue Impulse von der Koalition gesetzt werden, halten sich die Pläne im Bereich des Kartellrechts noch überwiegend zurück. Zukunftsweisende Wirtschaftszweige werden zwar erkannt und auch benannt, jedoch bewegen sich die konkreten Maßnahmen noch vorwiegend im Bereich des Abstrakten. Im Außenwirtschaftsrecht liegt der Schwerpunkt vor allem in der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen der Geschwindigkeit von Verwaltungsverfahren und den langfristigen nationalen Interessen.
Autor dieses Beitrags ist Ilya Levin, mit den Co-Autor:innen Hanna Fuhrmann und Georg Friedrich Hensel
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