Genehmigung der deutschen Beihilfe zur Errichtung des Wasserstoff-Kernnetzes

Am 21. Juni 2024 gab die Kommission in einer Pressemitteilung die Genehmigung einer Beihilfe Deutschlands i. H. v. 3 Mrd. Euro zum Zwecke der Errichtung eines Wasserstoff-Kernnetzes („Hydrogen Core Network“ – HCN) bekannt.

Verfasst von Stefanie Lisson, E.M.L.E (Aix-en-Provence)

Die geplante Beihilfe ergänzt mehrere wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEIs), wie z. B. „Hy2Tech“, „Hy2Use“ und „Hy2Infra“. Letzteres fördert bereits die Errichtung von 2.700 km Fern- und Verteilerleitungen für Wasserstoff. Mit dem Bau des HCN soll ein konsequenter Hochlauf der europäischen Wasserstoffwirtschaft weiter beschleunigt werden.

A.   Hintergrund: Die europäische und die deutsche Wasserstoffstrategie

Wasserstoff spielt auf dem Weg in eine klimaneutrale Wirtschaft eine zentrale Rolle. Er kommt als Energieträger sowie als Grundstoff für die Industrie in Betracht. 

Die europäischen Wasserstoffstrategie ist in den „Green Deal“ und das „Fit für 55 Programm“ eingebettet. So soll die Erzeugung und Nutzung sogenannten „grünen Wasserstoffs“ dazu beitragen, dass die europäische Union bis 2050 über ein klimaneutrales Energiesystem verfügt. Die Strategie gliedert sich in drei Phasen. In der ersten Phase sollen bis Ende 2024 bestehende Produktionskapazitäten dekarbonisiert werden. Phase zwei richtet die Aufmerksamkeit auf die Etablierung des Wasserstoffs als wesentlichen Bestandteil des europäischen Energiesystems sowie auf Errichtung der passenden EU-weiten Infrastruktur. Die zweite Phase soll Ende 2030 abgeschlossen sein. In Phase drei sind nach der Prognose der EU die Technologien für erneuerbaren Wasserstoff ausgereift und in großem Maßstab einsatzfähig.

Die deutsche Bundesregierung gab bereits im Jahr 2020 ihre nationale Wasserstoffstrategie bekannt. Drei Jahre später folgte die Fortschreibung der Wasserstoffstrategie. Sie umfasst insbesondere die Erhöhung der Zielvorgaben für inländische Produktionskapazitäten sowie den Aufbau einer leistungsfähigen Wasserstoffinfrastruktur. Die Bundesregierung erkennt jedoch an, dass zurzeit sowohl die Erzeugung als auch die Nutzung von Wasserstoff noch nicht wirtschaftlich sind. Dies stünde einem schnellen Markthochlauf im Weg. Die Bundesregierung möchte diesen nun mit dem HCN, dessen Schaffung und Finanzierung in den §§ 28q ff. des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) geregelt ist, beschleunigen. Die Förderung der Angebotsseite soll die Nachfrage nach Wasserstoff steigern.

B.   Planung und Errichtung des HCN in Deutschland

Zuständig für die Planung und Errichtung des Kernnetzes sind in Deutschland die Fernnetzbetreiber. Diese haben einen entsprechenden Antrag fristgemäß bei der Bundesnetzagentur einzureichen. Bereits im November vergangenen Jahres reichten sie in einem Zusammenschluss als Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB) einen Entwurf bei der Bundesnetzagentur ein. Bis zum 08.01.2024 war dieser Gegenstand von Konsultationen und die Öffentlichkeit hatte die Möglichkeit, Stellungnahmen einzureichen. Seither hing die Einreichung des finalen Antrages von der gem. § 28r Abs. 10 und § 28s Abs. 6 EnWG erforderlichen beihilferechtlichen Genehmigung der Kommission ab. Der finale Abgabetermin wurde daher bereits mehrfach verlegt, jüngst bis zum 22.07.2024. Mit der nun erteilten beihilferechtlichen Genehmigung gilt es jetzt, den Antrag zügig einzureichen.

C.   Mit dem Binnenmarkt vereinbare Beihilfe nach der Ermessensausnahme des Art. 107 Abs. 3 lit. c AEUV

Deutschland gewährt die Beihilfe in Gestalt von staatlichen Garantien bzw. Bürgschaften, mit denen Darlehen zur Projektfinanzierung abgesichert werden sollen, welche zur Deckung anfänglicher Verluste, die zu Beginn der Hochlaufphase anfallen, dienen. Die staatlichen Garantien ermöglichen dabei Darlehen zu besonders günstigen Zinskonditionen. Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass die positiven Auswirkungen der Beihilfe möglichen Handels- und Wettbewerbsverzerrungen überwiegen und die deutsche Beihilferegelung im Einklang mit dem europäischen Beihilferecht steht.

Die Vereinbarkeitsprüfung erfolgte auf Grundlage des Art. 107 Abs. 3 lit. c) AEUV nach Maßgabe der Leitlinien für staatliche Klima-, Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL). Hiernach können Beihilfen als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden, wenn sie der Förderung gewisser Wirtschaftszweige- oder Gebiete dienen (positive Voraussetzung) und die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft (negative Voraussetzung), sofern damit einem Marktversagen zu Gunsten des Umweltschutzes entgegengetreten wird. 

  1. Positive Auswirkungen: Förderung von Wirtschaftszweigen oder Wirtschaftsgebieten
    Als förderfähige wirtschaftliche Tätigkeit identifiziert die Kommission die Umstellung vorhandener Erdgasleitungen auf Wasserstoff sowie die Errichtung neuer Wasserstoff-Leitungen und Verdichterstationen. Dabei handelt es sich nach Auffassung der Kommission um einen wichtigen Schritt zur Verwirklichung der Ziele des „Green Deals“ sowie des Legislativpakets „Fit for 55“. Die Beihilfe hat einen Anreizeffekt, da die Errichtung und der Betrieb eines Wasserstoff-Fernleitungsnetzes ohne staatliche Unterstützung nicht wirtschaftlich zu gestalten sind. Als Argument führt die Kommission die bisher ungewisse Entwicklung des Wasserstoffmarktes an.
  2. Negative Auswirkungen: Keine dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufende Verzerrung des Handels und Wettbewerbs
    Im Rahmen der negativen Auswirkungen prüft die Kommission die Geeignetheit und Angemessenheit der Fördermaßnahme. Die Geeignetheit einer Maßnahme bestimmt sich nach den KUEBLL anhand eines Vergleichs mit alternativen Instrumenten zu einer Beihilfe einerseits und mit anderen Beihilfeinstrumenten andererseits. Die Angemessenheit ist dann gegeben, wenn der Beihilfebetrag auf das für die Durchführung der geförderten Tätigkeit erforderliche Minimum beschränkt ist.
    Die Ausgestaltung der Beihilfe ist laut Kommission angemessen, da die Förderhöhe dem tatsächlichen Finanzierungsbedarf entspricht und auf ein Minimum begrenzt bleibt. 

D.   Fazit

Die jüngst genehmigte Beihilfe steht im Einklang sowohl mit der deutschen als auch der europäischen Wasserstoffstrategie. Es handelt sich um einen weiteren wichtigen Schritt hin zur Einhaltung der Zielvorgaben der deutschen Strategie, bis zum Jahr 2032 alle großen Erzeugungs-, Import- und Speicherzentren mit den relevanten Abnehmern zu verbinden. Der konsequente Aufbau eines Leitungsnetzes ist ein essenzieller Beitrag zu einem beschleunigten Markthochlauf der Wasserstoffwirtschaft.

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Stefanie Lisson, E.M.L.E (Aix-en-Provence)

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